FREITAG: Die Bitte um einen Test

Wir kommen immer wieder in ähnliche Situationen, bis wir die entsprechenden Lektionen gelernt haben. Dieses Bewusstsein zu erlangen, verspricht Lebensqualität.

Ich kann mich noch an einen Tag erinnern, wo mir plötzlich klar wurde: Ich reagiere immer schneller immer heftiger auf Dinge, die sich falsch anfühlen. Einer meiner Leihsöhne nennt das einen vollen Scheißefilter. Und dieser Filter hat sich ab einem gewissen Zeitpunkt meines Lebens immer schneller gefüllt. Ich wurde schneller grantig, ich geriet schneller aus der Balance, ich zog mich schneller zurück. Wo ich in früheren Jahren noch um Konsens gerungen hätte, wahlweise mich selbst zurück genommen und einen Kompromiss gesucht hätte, war immer schneller das „Entweder – Oder“. Ein Genuss war dieser Zustand mitnichten, vor allem, weil ich mich selbst zunehmend in Frage stellte. Ob mit mir etwas nicht stimmen könnte, ob ich durch das Ende meiner langjährigen Partnerschaft vielleicht leicht bis mittelschwer beschädigt worden war. Solche Sachen eben, die vor allem Frauen so gerne mit sich selbst bereden.

Doch dann wurde mir klar, dass ich unbewusst diese Situationen selbst herbei geführt hatte. Ich war immer den gleichen Männern in die Arme gelaufen, hatte stets auf die gewohnte Art und Weise auf Menschen reagiert, hatte Loyalität aus einer Prägung heraus praktiziert, obwohl sie ganz und gar unverdient war. Das war der Anfang eines transformativen Prozesses. Klar geworden ist mir dieser Ablauf vor zweieinhalb Jahren. Da hatte ich den damals geheimen Wunsch nieder geschrieben, noch einmal eine romantische Beziehung erleben zu wollen. Und das, nachdem ich sämtliche Männer meines damaligen Lebens in den Atlantik geschickt und gehofft hatte, dass sie nicht schwimmen konnten. Kurz darauf lernte ich einen Mann kennen und dankte dem Universum, dass es so schnell meinem Wunsch entsprochen hatte. Nun, der Mann stellte sich sehr schnell als nicht wunschgemäß heraus, und ich blieb zurück, einmal mehr damit hadernd, dass das Universum einfach nicht meine Sprache verstand. Doch ich begriff, dass ich durch die Begegnung mit diesem Mann meinen Test nicht bestanden hatte. Nämlich jenen, endlich Dinge einmal anders zu gestalten, mich selbst anders zu verhalten, einen anderen Weg zu nehmen.

Die folgenden zwei Jahren beschäftigte ich mich dann damit, genau das zu lernen. Nicht jedes Angebot anzunehmen, das mir auf dem Präsentierteller unter die Nase gehalten wurde. Nicht immer gleich anzuspringen, wenn jemand seine Bedürfnisse äußert. Den ausgelatschten Pfad meiner Beziehungen völlig zu verlassen und meinen eigenen weiblichen Pfad zu trampeln. Und dann sollte ich wieder einen geheimen Wunsch formulieren. Dieses Mal war ich klüger und bat um einen Test. Denn ich wollte tatsächlich herausfinden, ob die Theorie der Praxis standhalten oder gleich wieder beim ersten externen Bedürfnis in sich zusammenfallen würde. Und ich bekam ihn. Dieses Mal hatten wir uns verstanden, das Universum und ich.

Dieser Test tauchte in Form einer Stimme aus der Vergangenheit auf, und ich bin sicher, Sie kennen diesen Spruch: „Wenn die Vergangenheit anruft, heb‘ nicht ab. Sie hat Dir nichts Neues zu sagen.“ Ich habe trotzdem zugehört, anders als früher, nicht unbedingt anders reagierend – allerdings nur bis zu einem bestimmten Punkt. Da wurde mir glasklar, worauf ich angesprungen war, nämlich einen einzigen, kleinen, normalerweise völlig unwichtigen Nebensatz. Ich atmete durch, schüttelte mich und änderte mein Verhalten um 180 Grad. Und es tat nicht einmal weh, im Gegenteil. Ich spürte, wie sich mein Oberkörper aufrichtete, wie sich meine Augen öffneten, wie ich lächelte. Da wusste ich, dass ich den Test bestanden hatte. Die Zukunft lag weiß und unschuldig vor mir, alles konnte kommen, weil es aus vollem Herzen eingeladen war. Und zwei Tage später war die Zukunft da.

Die gesprochene Version dieses Textes finden Sie auf www.voll50.com/category/podcast


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