Eine Freundin von mir steht an der Schwelle zu ihrem 50er. Und obwohl sie sich in den vergangenen Monaten so gefreut hat, leidet sie nun am 50er-Blues.
In der Numerologie steht die Fünf für große Freiheitsliebe und den Drang nach Unabhängigkeit. Und nicht umsonst habe ich in diesem Alter mein „Voll50“-Projekt gestartet. Bereits mit 48 hatte ich das Gefühl, dass mir vieles zu eng wurde, dass vieles noch vor mir lag, dass vieles erlebt werden wollte. Doch in dieser Situation war ich ganz klar darauf fokussiert, was ich NICHT mehr wollte, ohne wirklich zu wissen, was ich tatsächlich angehen könnte.
So ähnlich geht es auch meiner Freundin. Lange hat sie sich gefreut, weil sie in dem Triumvirat, das wir mit einer weiteren Freundin bilden, die einzige unter 50 war und in den anderen ein gutes Beispiel dafür sah, wie man auch jenseits dieser Altersgrenze das Leben genießen kann. Nun steht die 50er-Party vor der Türe, und sie hat den Blues, weil sich in ihrem Dasein gerade wenig bewegt, was sie gerne bewegen möchte.
Von Beziehung über Beruf bis Befindlichkeit ist alles gerade schwer, und ich erkenne mich darin sehr wieder. Also mein damaliges Ich, nicht mein gegenwärtiges. In ihrem Alter hatte ich nur eine vage Vorstellung, welche Art von Beziehung ich wollte. Vom Gehabten brauchte ich eine Pause, für das für mich Sichere fand sich niemand, und schließlich beschränkte ich mich darauf, mir kurz vor meinem 51. Geburtstag zumindest einmal wieder Sex zu wünschen. Gelang, doch das Gelbe vom Ei hatte ich mir anders vorgestellt. Weshalb es auch bei der Einmaligkeit blieb, und das ist nicht im Sinne eines exklusiven, weil hochwertigen Ereignisses zu interpretieren. Ich erkannte: Sex war nicht die Lösung für meine Beziehungskatharsis.
Beruflich lief eigentlich alles in guten Bahnen, doch auch hier spürte ich, dass ich manches einfach nicht mehr schreiben wollte. Vor allem nicht über Dinge, die in meiner Welt zunehmend an Bedeutung verloren – so sie sie jemals hatten. Mein Berufsverständnis war ja von Anfang an davon geprägt gewesen, dass ich über das schreibe, was Kolleginnen und Kollegen abgelehnt hatten. Das funktioniert auch ziemlich lange, und für die gewonnenen Erkenntnisse bin ich heute noch dankbar. Von alleine hätte ich mich beispielsweise nie in das Thema Logistik eingearbeitet. Nichtdestotrotz: Ich wollte schreiben, was mich aus persönlichen Gründen interessierte. Wollte endlich den Sinn in meinem Tun forcieren. Und so begann ich eine Mindmap über meine Interessen zu erstellen, dampfte das breite Spektrum ein und lokalisierte fünf Themen, denen ich seitdem konsequent folge. Und seitdem bewegt sich auch etwas in meinem beruflichen Umfeld, was eine unendlich schöne Erfahrung ist.
Auch meine Befindlichkeit, vor allem die physische, veränderte sich nach diesem 50er-Tag. Die Trennung nach 18 Jahren hatte mir ziemlich viel Gewicht vom Körper gerissen, was ich anfangs genoss. In eine Jeans in Größe 34 zu passen und sie lässig auf der Hüfte sitzend zu wissen, gab mir Selbstbewusstsein. Doch mit der verändernden Lebenseinstellung, die mit Sanftheit gegenüber mir selbst einher ging, kletterte die Kleidergröße ebenfalls nach oben. Und ich lernte, dass Kleidergrößen wie das Alter nur Zahlen sind. Hauptsache, die Jeans kneift nicht. Denn dafür war ich definitiv zu alt geworden. Ich wollte mich wohlfühlen, mich annehmen, wie ich bin und das auch zelebrieren. Dass ich einen Mann an meiner Seite habe, der meinen kurvigen Körper mit mir feiert, empfinde ich als unerwartetes und doch seligmachendes Glück.
Mein Vater sagt immer: „Wenn Du in diesem Alter in der Früh ohne Wehwehchen aufwachst, bist du tot.“ Und tatsächlich kommt es immer wieder vor, dass bei mir vor dem Aufstehen das eine oder andere zwickt. Doch ich habe gelernt, hinzufühlen. Und was mit dem Körper funktioniert, tut es auch mit dem Rest meines Lebens. Wenn das Beziehungsgefüge nicht mehr passt, empfehle ich eine Liste mit Eigenschaften, die man am Partner, an der Partnerin in spe erleben möchte. Eine Freundin von mir hat es getan, ich auch – beide haben wir eine geographische Verortung vergessen, weshalb ich dringend dazu rate. Wenn die berufliche Situation spackt, helfen Ruhezeiten, um wieder in die Kraft zu kommen. Und den Körper kann man lieben lernen, wenn man davon Abstand nimmt, wie man glaubt, sein zu müssen. Denn das ist immer nur eine externe Sicht, auf die es nur in den seltensten Fällen ankommt. Wir Frauen über 50 sind höchst individuell, und deshalb ist alles erlaubt, was glücklich macht. Wenn man bereit dafür ist, das Glück zu erleben. Und sich selbst anzufeuern. Ich empfehle dazu Beth Hart und ihren „Bad Woman Blues“, zumindest für den Anfang. Sie erinnert frau daran, dass wir 20 mit mindestens 30 Jahre Erfahrung sind.
Die gesprochene Version dieses Textes finden Sie auf www.voll50.com/category/podcast
Musiktipp: www.youtube.com/watch?v=qiRiPtg9EFk
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