Langsam fällt wirklich alles an seinen Platz, habe ich so das Gefühl. Ob das mit meinem niedrigen Blutdruck zu tun hat?
Kürzlich erklärte mir der Vater meiner Kinder wieder einmal, dass ich zu viel in meinem Leben hätte. Er könne das daran erkennen, dass ich wie ein geschlagener Hund aus meinem Schlafzimmer heraustorkeln würde. Und das wiederum passiere nur, weil ich im Schlaf keine Erholung fände aus Gründen meines übervollen Lebens. Ist so weit ganz schlüssig, wenn es nicht mich betreffen würde. Ich schlurfe deshalb aus meinem Bett, weil mein Blutdruck für eine ordentliche Körperhaltung samt damit zusammenhängender, guter Laune einfach zu wenig leistet. Und weshalb ich in der Früh wirklich zwei Stunden brauche, um mich an meinen Namen und meine Bestimmung zu erinnern. Manche brauchen diese Zeit ja für die Körperpflege, ich für meine Identität. Was unter Umstanden das gleiche sein kann, aber nicht in meinem Fall. Zuerst will ich wissen, wen ich pflege. Und dann brauche ich auch nicht länger als 15 Minuten, um mich gesellschaftsfähig zu machen.
Der Vater meiner Kinder hat mir das nur widerwillig abgenommen. Seit heute habe ich es schriftlich – 87 Schläge pro Minute schleudern einen um 8 Uhr früh nicht gerade explosiv in den Tag. Zur Blutabnahme in der neuen Arztpraxis hat es gereicht. Und das unter erschwerten Bedingungen, weil man ja in so einem Fall keinen Kaffee mit Milch und Zucker trinken sollte. Frühstücken auch nicht, aber das ist für mich meistens unwichtig. Muckefuck reicht. Allerdings bin ich momentan auf Impfdiät, und das sind super erschwerte Bedingungen für meinen Blutdruck. Und den Rest meines Lebens.
Da bei Ayurveda davon ausgegangen wird, dass durch eine Impfung der Körper in einen Stresszustand versetzt wird, gilt es in diesem Fall mit einigen Kniffen gegenzusteuern. Und das schon drei Tage vorher. Das bedeutet in meinem Fall: statt Kaffee Kamillentee, statt Chili Koriander, statt Beeren Bananen. Zusätzlich noch Nahrungsergänzungsmittel, die den Körper prophylaktisch runterkühlen. Das alles hat nun also dazu geführt, dass ich nunmehr schon den fünften Tag ziemlich traumwandlerisch durch mein Leben schwebe. Mein Bauch hat an Umfang zugenommen, weil er das Frühstücken nicht gewohnt ist. Um 20 Uhr gähne ich das erste Mal. Und dazwischen muss ich darauf achten, hin und wieder meine Augenlider weiter hochzuziehen als auf Halbmast. Aber hey – Hauptsache keine Impfreaktionen!
Bei dem ersten Schuss habe ich das auch gemacht, allerdings musste ich das Vorhaben drei Tage nach der Impfung einstellen. Weil ich mich zielstrebig auf eine Depression hinbewegt habe. An kleinen, aber unfeinen Gedanken kann ich das festmachen, auch mein Körper gibt mir Signale, dass es der Erdung nun genug ist. Und das werde ich dieses Mal wohl ebenso halten. Also habe ich noch einen Tag Abkühlung und Beruhigung vor mir und werde mich dann richtig, richtig freuen, den Kamillentee wieder ganz hinten ins Regal zu schieben.
Meiner Umgebung ist das alles kaum aufgefallen, weil ich mich ja durch die Diät mehr oder weniger auf ein gesellschaftlich akzeptiertes Mittelmaß eingegroovt habe. Aber mir fehlt das Wirbelige, das Aktive, das Entscheidungsfreudige. Und das erobere ich mir zurück, genauso wie mein kleiner Nachbar kürzlich den Zaun erobert hat. Jetzt ist er endlich groß genug, um selbständig in seine zwei Höhlen auf meinem Grundstück krabbeln zu können. Diese Art von Kraft strebe ich wieder an – und in meine Höhle krabbeln werde ich dann auch vermutlich wieder weit nach Mitternacht. An diesem Tag werde ich wissen: Alles ist wieder so, wie es sein soll.
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