FREITAG: BlaBlaBlaGPT

Jetzt muss es wohl sein, dass ich mich mit dem Thema Künstliche Intelligenz auseinandersetze. Obwohl ich das alles ja wirklich nicht verstehe.

Kürzlich – oder ist es doch schon länger her – strahlt mich eine meiner Freundinnen an, weil sie nämlich ChatGPT entdeckt hat. Und entdeckungsfreudig wie sie ist, natürlich auch gleich ausprobiert hat. Zugegeben: Das, was sie da zaubert, ist beeindruckend. Schöne Bilder, die Texte habe ich nicht gesehen beziehungsweise gelesen. Aber sie schwärmt von der Leichtigkeit, mit der das Schreiben plötzlich von den Fingern rutsche.

Wie bei allem, womit ich mich noch nicht befasst habe, bleibe ich vorerst offen. Denn ich kann kaum beurteilen, was ich nicht kenne. Mitreden fällt auch schon schwer, außer „Ich werde darüber nachdenken“ oder „Ich freue mich darauf, wenn Du es mir zu einem gegebenen Zeitpunkt erklärst“ ist nicht drin im Moment. Das Leben will gelebt werden, Balance erst einmal wieder hergestellt werden nach den Anforderungen der letzten Wochen.

Nachdem ich in den vergangenen Tagen schon gehört hatte, dass Elon Musk gemeinsam mit anderen zeitgeistigen Kapazundern ein Manifest verfasst und darauf aufmerksam gemacht hat, dass diese Technologie inzwischen so weit fortgeschritten sei, dass selbst die Entwickler ihre Programme nicht mehr verstehen oder wirksam kontrollieren könnten, flattert mir heute eine weitere Information zu diesem Thema in den Posteingang. Zwei Studien zeigen, dass meine Branche massiv von diesem ChatGPT-Zeug betroffen ist, wenn es tatsächlich in der Praxis eingesetzt wird. Bei kreativem Schreiben beispielsweise liefere es schon beachtliche Ergebnisse.

Ich bin zwiegespalten. Auf der einen Seite bin ich ziemlich proaktiv, wenn es um die Bewältigung von Ängsten geht. Andere ducken sich, ich schaue ihnen in die Augen. Das hat immer schon gut funktioniert und hat mir bislang ein ziemlich angstbefreites Leben beschwert. Auf der anderen Seite bin ich unsicher, ob sich dieses ChatGPT-Zeug durchsetzen wird. Und ich deshalb meine Zeit vergeuden könnte durch das Vertrautmachen mit diesem Thema. Denn wenn eines für mich immer wichtiger wird, dann das: Ich möchte meine Zeit sinnvoll nutzen und verwenden.

Als wäre unsere Zeit nicht schon komplex genug, hängt nun auch noch dieses Werkzeug über unseren Köpfen, vor allem über jenen von Schreiberlingen unterschiedlicher Provenienz. Für mich erscheint es unvorstellbar, dass eine Software genau die Ideen gebären kann wie das menschliche Gehirn mit all seinen gedanklichen Twists und wunderbaren Absonderlichkeiten. Und abgesehen davon: Wozu brauchen wir das überhaupt?

Vor über zwei Jahrzehnten habe ich in Indien einer Frau dabei zugesehen, wie sie eine geschotterte Straße gekehrt hat. Mit einem Besen, ja. Und ich weiß noch, dass ich mir damals dachte, dass ein Staat wie Indien ausreichend Arbeitskräfte zur Verfügung hat, um Aufgaben wie diese zu vergeben. Ich bin sicher, dass diese Frau am Abend zufrieden damit war, etwas beigetragen zu haben – zum Lebensunterhalt, zum Leben der Öffentlichkeit, zu einer größeren Ordnung. Meinem Saugroboter, der eh kaum zum Einsatz kommt, spreche ich solche Gefühle absolut ab. Muss er auch nicht haben, weil er eine Maschine ist.

Ebensowenig wie ein Servierroboter, der statt des Kellners oder der Kellnerin das Geschirr in die Küche bringt. Ich stelle mir elektronische Helferlein wie diese als ziemliche Pragmatiker vor.

Doch das ist eben nicht alles, was im Leben zählt. Ich kenne eine Frau, die Zeit ihres Lebens hochgradig kreativ war. Doch weil sie Jahrzehnte mit einem Pragmatiker zusammen gelebt hat, ging diese wunderbare Gabe langsam und leise baden. Es ist eben nicht alles gut, was nützlich ist. Und überhaupt: Wer definiert denn, was nützlich ist? Einem kranken Menschen mag ein Medikament nützlich sein, aber genauso ein Strauß Blumen oder eine schöne Melodie im Ohr. Braucht es Schnittblumen? Nicht wirklich. Braucht es Musik? Es geht zur Not auch ohne. Doch wird beides deshalb weniger geliebt? Nope.

Nehmen wir den schlimmsten Fall an, nämlich dass Redaktionen und Verlage, die von Robotern geführt werden, nur noch ChatGPT einsetzen. Dann werde ich mir wohl einen neuen Job suchen müssen. Die Studien haben ergeben, dass gewisse Branchen davon relativ unbehelligt bleiben werden, beispielsweise die Gastronomie, Kfz-Mechanik und Jobs in der Öl- und Gasförderung, aber auch in der Forst- und Landwirtschaft. Insofern ist der Gedanke, mit meinem Partner und einer Freundin eine kleine südafrikanische Pop-up-Küche zu starten, ziemlich zukunftsträchtig. Ob ich mich auf einer Ölplattform einfinden könnte, kann ich schlecht beurteilen. Abgesehen von Fake-Profilen auf Instagram, wo verwitwete Väter mit dieser abenteuerlichen Berufswahl Eindruck zu machen versuchen, und dem Film „Armageddon“ gibt es keine Anknüpfungspunkte oder Überschneidungen. Und in einer Autowerkstätte wäre ich vermutlich auch nur ein Hindernis, weil ich gerade einmal wissen will, wo sich die Zündkerzen befinden. Doch vielleicht gehe ich in die Landwirtschaft, ziehe statt einer südafrikanischen Pop-up-Küche Kartoffeln und Karotten heran. Vielleicht geht sich sogar beides aus? ChatGPT kann mir vielleicht meinen aktuellen Job nehmen, aber bestimmt nicht die Liebe zu diesem Leben, das immer wieder Überraschungen bereit hält – egal, ob man dafür bereit ist oder dazu gezwungen wird. Veränderung ist immer eine zum Besseren. Punkt.

Die gesprochene Version dieses Textes finden Sie auf www.voll50.com/category/podcast


Beitrag veröffentlicht

in

von

Schlagwörter:

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Seite verwendet Cookies, um die Nutzerfreundlichkeit zu verbessern. Mit der weiteren Verwendung stimmst du dem zu.

Datenschutzerklärung