Ich liebe diese regnerischen Sonntage, wo man sich anstecken lassen kann von allem, was man sonst abzuwenden versucht. Vor allem, wenn man vom kalten Wetter überrascht wurde.
Die Zeiten ändern sich, fürwahr. Früher wäre ich mit meiner Geburtstagsfreundin um die Häuser gezogen, bis sie eingestürzt wären. Heute gehe ich heim, weil mir die neun Grad Celsius derart in die Knochen gefahren sind, dass ich mich anderthalb Tage später immer noch wie eine wirklich alte Frau bewege. Diese Kälte, die gefühlt in jedes Gelenk gekrochen ist und von innen strahlt, ist mir so unangenehm, dass sie mir alles verdirbt – auch das Feiern.
Und so werde ich gezwungen, mich selbst zu feiern. Nicht in dem Sinne, dass ich mich vor den Spiegel stelle und mir lauter schmeichelhafte Dinge zuhauche. Vielmehr gehe ich pfleglich mit mir um und überlege mir proaktiv, was mein Wohlbefinden steigern könnte. Das beginnt damit, dass ich meine Rituale überprüfe, sogar die vom Wochenende. Muss ich tatsächlich meine Schreibübungen machen, wenn meine Lendenwirbelsäule eh schon steif ist? Will ich unbedingt hören, was sich in der Welt Neues tut, wenn mir der Kopf eh schon wummert von all den Dingen, über die ich mir die Woche über denselben zerbrochen habe? Darf es statt der Dusche auch einmal ein Bad sein?
Nein, Nein und Ja. Unser Körper zeigt uns nämlich ganz genau, was er braucht. Wir allerdings brauchen dazu Ruhe, um in uns hineinzuhören. Und die Bereitschaft, auch einmal zuzugeben, wenn wir nicht zu 100 Prozent funktionieren (wollen). Denn grundsätzlich machen wir Frauen ja alles möglich, auch wenn wir heufiebern, husten oder hinken. Und machen uns über Männer lustig, die ihren Männerschnupfen zelebrieren. Ernsthaft: Wir sollten uns ein Beispiel nehmen. Denn sie führen uns vor Augen, dass man nicht immer und überall funktionieren muss.
Ich finde, wir Frauen sind vielfach viel zu oft tapfer. Nicht, dass uns das nicht zu Gesicht stehen würde – ich bin sehr für Mut, und mutige Frauen braucht die Welt. Doch Tapferkeit hat eine andere Qualität, bleibt in einer Situation aufrecht, die schwierig und nicht selten mit Nachteilen verbunden ist. Beispielsweise waren sehr viele Frauen während der Lockdown-Zeit tapfer, weil sie vielfach den Familienbetrieb aufrecht erhalten und ihre eigenen Agenden dabei nachgereiht haben. Und genau deshalb bin ich eine Befürworterin von Männerschnupfen für Frauen. Wir müssen uns nicht für alles verantwortlich fühlen, selbst wenn wir befürchten, dass die Verantwortung sonst auch keiner haben will. Und wir müssen schon gar nicht in Situationen bleiben, die uns zum Nachteil gereichen.
Was wir hingegen sehr wohl müssen, ist: Verantwortung für uns selbst zu übernehmen. Klar und frühzeitig zu sagen, wenn es uns schlecht geht, wenn wir etwas nicht leisten können oder wollen, wenn wir etwas einfach nicht als unsere Aufgabe erachten. Emanzipation ist gut und schön, doch wir sollten immer bedenken, dass sie uns Frauen die Freiheit gebracht hat, zu entscheiden, was wir wollen oder lassen. Und nicht, dass wir alles müssen, was wir dürfen. Wir haben die Wahl, immer.
Nicht, dass ich eine Meisterin meines Fachs bin, was Männerschnupfen für Frauen angeht. Ich tue mir unheimlich schwer, zu meinen Zipperlein zu stehen, sie als etwas Hinderliches zu betrachten, das mich vom Leben abhalten will. Doch ich lerne jeden Tag. Wenn mir die Füße weh tun, ist es wohl besser, daheim zu bleiben. Wenn ich zu viel huste, versuche ich, mein Arbeitspensum zu reduzieren. Wenn auf meinem Gesicht Pickel auftauchen, weiß ich, dass ich zuviel von der falschen Schokolade gegessen habe. Deshalb bin ich ziemlich zuversichtlich, dass ich den Rest auch noch hinkriegen werde. Gesundheit!
Die gesprochene Version dieses Textes finden Sie auf www.voll50.com/category/podcast
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