FREITAG: Umdenken braucht Zeit

Ich entschuldige mich gleich am Anfang, dass ich meine Schreibpause letzte Woche vergessen hatte, anzukündigen. Dass mein ‚Urlaub‘ dann anders als geplant verlaufen ist, könnte man insofern in die Kategorie ‚Kleine Sünden straft der liebe Gott sofort‘ schieben.

Anfang des Jahres war ich noch so optimistisch gewesen, dass ich mir die Woche vor meinem Geburtstag in der Sonne am Meer vorgestellt hatte. Doch die alte Art der Visualisierung funktioniert eben nicht mehr – Gedankenfehler! Das Nachjustieren in Sachen Reisen funktioniert bis zu einem gewissen Grad. Ich mache mich schon kundig, wohin der Flieger von Salzburg abhebt. Und ja, es sind immer nur einzelne Flieger. Aktuell gibt es zwei Destinationen: Düsseldorf und Istanbul. Ich war noch nie in Düsseldorf, habe aber gehört, dass es recht schön sein soll. Allerdings hätte ich dort unter einer Düsselbrücke schlafen müssen, und ich bezweifle, ob die Stadt aus dieser Perspektive immer noch schön ist. Nach Istanbul zu fliegen, ist grundsätzlich immer die bessere Idee. Doch dann telefonierte ich mit einem Freund und der baute ein Hindernis nach dem anderen vor mir auf. Punkt eins: Ich müsste im öffentlichen Raum Maske tragen. Das mache ich nicht einmal hier, aber gut – was nimmt man nicht alles für einen Hauch von Orient auf sich. Punkt zwei: Alle Restaurants sind wegen Ramadan geschlossen. Ich müsste quasi ein All inclusive-Etablissement buchen, damit ich nicht verhungere. Und obwohl ich es gern habe, wenn sich ein Mann um meine Magenfüllung Gedanken macht – nein! Punkt drei: Ich wäre an meinem Geburtstag in Quarantäne gewesen, was den Besuch lieber Menschen unmöglich gemacht hätte – selbst wenn sie geimpft gewesen wären. Sie sehen meine Problem. Das ist Reisen neu, nämlich sich über die ganz alltäglichen Konsequenzen bewusst zu werden.

Und die waren am geringsten beim ‚Urlaub‘ zuhause. Der Wetterbericht war deprimierend, also habe ich mich mit drei Kilogramm neuen Büchern eingedeckt und mich eingekuschelt auf dem Kaminsofa visualisiert. Dann bekam ich plötzlich Kreuzschmerzen – ein Körper meines Alters verträgt es zunehmend schlecht, wenn man das tägliche Yogaprogramm für eine Woche aussetzt. Und insofern hat es mein unterer Rücken schlecht vertragen, sich aufs Kaminsofa zu betten. Bewegung war angesagt. Bei schlechtem Wetter auf und nieder im Haus, bei halbwegs angenehmer Witterung nach draußen und gehen, gehen, gehen. Dann kamen Zahnschmerzen dazu. Man stelle sich mein Zahnfleisch wie einen Airbag vor, der sich plötzlich aufbläst – auch ohne Aufprall. Das Beißen tat auch noch weh. Glücklicherweise bin ich im Besitz einer geheimnisvollen Kräutertinktur, die Wunder wirkt. Allerdings braucht auch dieses Wunder drei Tage. Nach dem ersten Spültag konnte ich wieder kauen, nach dem zweiten war der Zahnairbag nur noch halb gefüllt und am dritten war wieder alles einigermaßen gut. Da war es aber schon Donnerstag. Der Freitag war sonnig und zog mich an ein Seeufer, das mir eher weniger bekannt ist. Und am Samstag schickte der Geburtstag bereits die ersten Boten.

Mein Fazit, wieder einmal: Ich habe kein Talent für ‚Urlaub zuhause‘. Auch das zweite Mal hat sich kaum bewährt. Zumindest was meine bisherigen Erwartungen an das Konzept ‚Urlaub‘ angeht. Meine Lernaufgabe aus all dem kann also nur sein, dieses Konzept zu überdenken. Und nein, auch die Alternative ‚Durcharbeiten‘ hat sich nicht bewährt. Weil ich dann irgendwann einmal wieder auf dem Zahnfleisch daherkomme und eine Großpackung Kräutertinktur brauche – mindestens. Vielleicht sollte ich einfach nur sitzen und in meinen Körper hineinhorchen. Auf ihn hören und demgemäß handeln. Quasi Basisarbeit betreiben, damit ich dann irgendwann einmal wieder die Flügel ausbreiten kann. Und bis dahin an meinen Vorurteilen gewissen Ländern gegenüber arbeiten. Da bin ich ja auch picky oder schnäckig oder pienzig. Das Ziel: egal, wo sich das Meer befindet und welche Sprache ich dort höre – Hauptsache Meer. Kann noch ein bisschen dauern, das Umdenken.


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