Spüren Sie das auch, dass momentan ganz viel Energie in der Luft liegt? Also aufgeheizte, die ein Ventil sucht. Oder Kühlung. Oder Wandlung.
Ich persönlich hatte ja Anfang des Jahres ein Erlebnis, das so viel Energie und Fokus in mich hinein gepumpt hat, dass ich selbst neun Monate später noch davon zehre. Und auch wenn ich etliche Wochen gebraucht habe, um die Sinnhaftigkeit dieses Erlebnisses zu verstehen, ist die Dankbarkeit dafür umso größer, seit ich den Sinn erfasst habe. Und weil es mir gerade auffällt: Es hat tatsächlich neun Monate gedauert, dass meine Babys als drittes Buch und Inspirationskarten erschienen sind. Das alles erfüllt mich mit großer Freude, und ich genieße den Flow, in den mich der Januar-Energieboost geschossen hat.
Jetzt wundere ich mich ja schon seit geraumer Zeit, dass es anderen nicht so geht. Ist unlogisch, denn es konnte ja nicht jeder Erfahrungen wie ich machen. Und doch möchte ich stets, dass es meinem Umfeld genauso gut geht wie mir. Leider klappt das irgendwie nur suboptimal, gerade was die Energie angeht. Da gibt es Energielosigkeit aufgrund von Überforderung oder Anspannung. Aber auch Aggression aufgrund von Überforderung oder Anspannung. Jetzt bin ich kein besonders aggressiver Mensch, auch wenn ich das Gefühl natürlich kenne, jemandem gerne eine runter zu hauen. Doch erstens ändert es vermutlich nichts an der jeweiligen Situation und zweitens hatte ich in meinem Werkzeugkasten der Reaktion doch noch den einen oder anderen emotionalen Schraubenschlüssel, der mir (und dem Gegenüber) eine Handgreiflichkeit ersparte.
Ich lasse mir erzählen, dass Männer inzwischen weniger handgreiflich werden, weil sie Konsequenzen befürchten und/oder weil es inzwischen common sense ist, die Hand in der Hosentasche zu lassen. Doch ich lasse mir auch erzählen, dass immer mehr Frauen da nicht ganz so beherrscht sind. Die Dunkelziffer solcher Fälle ist hoch, weil kein Mann gerne zugibt, dass es eine gesetzt hat. Frau übrigens auch nicht. Und gerade in der C-Zeit, als wir uns alle mit den gewählten Lebenssituationen konfrontierten mussten, hatte die Polizei einiges zu tun, was häusliche Gewalt anging.
Während ich in der spätnachmittäglichen Sonne diese Zeilen schreibe und der Katze beim Schlabbern des Regenwassers zuschaue, denke ich mir, wie groß die Not sein muss, wenn nur mehr das Hinterlassen von blauen Flecken möglich ist. Ich persönlich werde ja aggressiv, wenn ich mich klebrig schwitze oder hungrig bin. Doch die Sonne zu verklopfen oder mir in die Magengrube zu schlagen, erscheint mir in solchen Situationen wenig zielführend. Es liegt in meiner Verantwortung, einen Schattenplatz zu finden und mich zu nähren. Das kann ich nicht delegieren, selbst wenn ich es wollte. Ich kann mich auch noch an eine Situation erinnern, als ich am Bauch operiert wurde und plötzlich feststellen musste, wie viele Muskeln in diesem Bereich an den kleinsten Bewegungen beteiligt sind. Manchmal wurde ich da auch wütend, weil ich einfach nicht konnte, wie ich wollte. Hätte ich damals gewusst, dass es schon seinen Sinn hat, nach einer Operation ruhig gestellt zu sein, wäre ich nicht auf die schräge Idee gekommen, die Heilung durch möglichst viel Aktion unterstützen zu wollen. An dieser Stelle wäre das Smiley, das auf dem Kopf steht, angebracht. Doch es gibt noch andere Gefühle. Zum Beispiel Furcht oder Frustration.
Ich lese, dass Aggression ihren Ursprung in der Verteidigung und Gewinnung von Ressourcen, aber auch in der Bewältigung potenziell gefährlicher Situationen liegt.
Wenn es nun zu Handgreiflichkeiten zwischen Mann und Frau kommt, was könnte dann die Verteidigung von Ressourcen sein? Oder die Gewinnung derselben? Das einzige, worauf ich komme, ist das Ego. Und die jeweiligen Ausprägungen von Angst. Und davon gibt es ja im zwischenmenschlichen Bereich einige. Die Angst, nicht wahrgenommen zu werden. Die Angst, nicht anerkannt zu werden. Die Angst, einem Bild nicht zu entsprechen. Oder etwas konkreter: die Angst vor dem Alleinsein, dem Scheitern, dem Gesichtsverlust. Kenne ich alles, habe ich alles durchexerziert. War unschön und schmerzhaft, hat Energie gekostet und mich von mir selbst entfernt.
Und das ist ja das Faszinierende. Man versucht, mit Aggression seine Pfründe zu verteidigen oder welche zu schaffen und hat noch nicht einmal eine Ahnung davon, was die wahren Pfründe sind. In meiner Welt liegen sie dort, wo wir vollumfänglich für uns, unsere Gefühle, unser Dasein Verantwortung übernehmen. Und sie nicht an andere delegieren. Vom Autor und Psychologen Robert Betz lerne ich sinngemäß: „Jeder, der nicht jeden Tag freudig angeht, kann auch anderen keine Freude bringen.“ Und jeder, der mit sich selbst nicht auskommt, kann das auch nicht von dem Menschen erwarten, mit dem man das Leben teilt. Stark. Und für viele superschwer umzusetzen.
Wir alle haben einmal versucht, das Märchen von den zwei halben Kugelmenschen zu erfüllen, die erst wieder ganz werden, wenn sie sich gefunden haben. Und sich dann das geben können, was sie so lange vermisst haben. Doch das funktioniert eben nicht. Sagt auch Robert Betz. Beziehungen aufgrund von Bedürftigkeiten zu beginnen, kann auf Dauer nur schief gehen. Weil wir uns inzwischen so individualisiert haben, dass auch unsere Bedürfnisse hochindividuell geworden sind. Und wir alle wissen, dass es nirgendwo einen Hochleistungszuchtbetrieb für eierlegende Wollmilchsäue gibt. Unter diesem Blickwinkel können wir nur scheitern.
Siegen können wir, wenn wir lernen, es mit uns selbst auszuhalten. Auch ohne Smartphone oder sonstige Bildschirme und Ablenkungen. Wenn wir lernen, uns selbst gern zu haben und zuerst einmal uns das zu geben, was wir brauchen. Ich für meinen Teil gebe mir jetzt ein Abendessen, denn ein bunt dekoriertes Käsebrot als Mittagessen trägt nur bedingt. Und selbst wenn mir der eine oder andere einfallen würde, der gerne für mich kochen würde: Ich bin für mich selbst verantwortlich. Meinen Hunger. Meine Gefühle. Mein Leben. Dafür bin ich jeden Tag dankbar.
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