Manchmal braucht man Impulse, um ins Schreiben zu kommen. Das kann eine Mindmap sein oder wie in meinem aktuellen Fall das Kaufen von drei Revolverblättern und einer Schmuddelzeitung. Und nein, ich brauchte das nicht, um DIESEN Text zu schreiben.
Die Idee hinter dieser Schreibübung war der Gedanke, aus seiner eigenen Ausdrucksweise einmal herauszutreten. Denn oft siedet man als Schreibender ja im eigenen Saft und wundert sich dann, warum alles so zäh ist. Insofern war ich Julia Cameron – wieder einmal – dankbar, dass sie mich dazu aufgefordert hat, diesem Impuls zu folgen.
Die Trafikantin, die mich normalerweise immer irgendwelche philosophischen, wahlweise spirituellen Hefte abholen sieht, schaute mich mit erhobenen Augenbrauen an. Nicht leicht erhoben, sondern fast schon bis zum Haaransatz. Ich murmelte etwas von „beruflich“ und rollte die Zeitschriften zusammen, damit das mit den Augenbrauenheben nicht zur Seuche wird in meinem Stadtteil. Die Übung leitete dazu an, dass man sich von den Geschichten in den Revolverblättern inspirieren lassen und ausschneiden sollte, was einen besonders inspiriert und/oder berührt. Gut gerüstet, mit Schere und Kleber zum Festhalten in einem Notizbuch ausgestattet, überflog ich zuerst eines die Titelblätter. Es ging um Schummelbilder des weiblichen Körpers, Liebesgeschäfte und Familienzoff. Und das berührt oder inspiriert heutzutage Menschen?
Als ich dann nach dem ersten Anfall von exzessivem Kopfschütteln doch die Hefte durchblätterte, bekam ich gleich den nächsten. Eine Zeitschrift hatte in ihrer Inhaltsangabe sogar den Übertitel „Inspiration“ stehen, was grundsätzlich zu begrüßen ist. Doch ist „Eis am Stiel zum Dahinschmelzen“ tatsächlich eine Inspiration? Und vor allem wofür? Allerhöchstens für Menschen, die dem abgepackten oder Kugel-Eis aus der Diele nicht trauen. Doch vermutlich braucht man ein Eis, wenn man sich durch Hochglanzfotos von Preisverleihungen, vorbei an Zickenterror und nachehelichem Bonding bis hin zu Skandal-Liaisonen und mordenden Müttern gekämpft hat. Da ist ein Eis wohl das mindeste, könnte man sich denken. Aber nein, politisch korrekt, wie heutzutage offenbar auch schon Revolverblätter zu sein haben, fand man auch noch eine Anleitung zum veganen Leben. Spielt sich unser Leben tatsächlich zwischen Verrat und Veganismus ab?
Das nächste Heft – das mit den Schummelkörpern auf dem Titel – bot jede Art von Inspiration insofern, wie man sich als Frau verbessern könnte. Ich musste an den Film „Embrace“ denken. Er erzählt die Geschichte einer Frau, die sich jahrelang an ihrem Körper abgearbeitet hat und nach der Teilnahme an einem Bodybuilding-Wettbewerb beschloss, die Trainingszeit lieber für etwas zu verwenden, was ihr WIRKLICH Spaß macht. Gesagt, getan. Sie verlor ihre definierten Muskeln und postete ein Vorher-Nachher-Bild auf Facebook. Vorher: Bodybuilder-Körper. Nachher: glücklicher Frauenkörper. Das schoss durch sämtliche sozialen Netzwerke und brachte ihr neben unzähligen grausligen Reaktionen auch Geschichten von Frauen, die genau darunter leiden. Darunter nämlich, dass wir in Zeitschriften wie den vorliegenden erzählt bekommen, wie wir zu sein haben. Auf jeden Fall sind wir nicht genug, da ist noch Luft nach oben, da geht schon noch was. Ich lese: „Falten? Haben wir nicht, kriegen wir nicht!“ Geht’s noch? Jaaaaaaa, sagen die Redakteurinnen und schlagen für Frauen in meinem Alter Ampullen, Masken und Seren vor, prall gefüllt mit Vitamin E, Hyaluronsäure, Retinol und was es sonst noch als Schnäppchen zu erstehen gibt. Eine dieser Masken ist um wohlfeile 59 Euro zu haben. Die lasse ich persönlich lieber auf dem Urlaubskonto und schaffe mir damit ein Stück Erinnerung.
Und auch wenn ich früher gerne die Yellow Press im Gepäck hatte, wenn ich einen Flieger bestieg, merke ich genau daran, dass das ganze Anti-Aging bei mir gar nix hilft. Denn ich bin froh darüber, dass ich Vermutungen, Spekulationen und Vorwärtspeitschungen getrost im Zeitschriftenregal lassen kann. Weil ich nämlich mit den Spuren, die mein buntes Leben Tag für Tag hinterlässt, glücklich bin. So tun, als wäre nichts passiert in den über 50 Jahren? Was für eine Niederlage! Und das sollte man auch Promis zugestehen. Daraus Skandalgeschichten zu basteln, mag zwar kreativ sein, doch sie als Tatsachen hinzustellen, halte ich für verwegen. Insofern gehört der Zoff zwischen Kate und Meghan, das heimliche Telefonat zwischen Florian und Helene oder der Streit um Doris‘ Erbe wohl eher in die Belletristik-Ecke. Und damit hat sich Julia Camerons Schreibimpuls schon wieder voll ausgezahlt.
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