FREITAG: Sendepause für die innere Ruhe

Die alte Welt hat mich wieder, und auch das Nachdenken über die Vor- und Nachteile meines ’normalen‘ Lebens ist zurückgekehrt. Die Frage, die sich stellt: Muss ich wirklich alles?

Es hat schon etwas, nach längerer Abwesenheit in die eigenen vier Wände zurück zu kommen. Vor allem wenn das Zuhause eine Kulmination des eigenen Lebens ist und man den Kopf in keine Richtung drehen kann, ohne daran erinnert zu werden. Nur gut, dass ich mit meiner Vergangenheit auf gutem Fuße stehe, sonst müsste vermutlich an meiner Haustüre dieses neumoderne Schild „Vorsicht Triggerwarnung!“ hängen.

Wie ich mit meinen Triggern umgehe, habe ich im Laufe der vergangenen Jahre ganz gut gelernt. Und deshalb nehme ich jetzt meine Routinen und Rituale unter die Lupe, vor allem eines: das Auf-dem-Laufenden-Bleiben. In Südafrika bin ich davon weitgehend befreit, weil ich mir immer denke, dass ich an dem, was in der nördlichen Hemisphäre während meiner Abwesenheit passiert, eh nichts ändern kann. Ist vielleicht kurzsichtig, aber 9.000 Kilometer Distanz hinterlassen ihre Spuren im Mindset. Einmal habe ich in den vergangenen Wochen den Versuch gemacht, in die nördliche Nachrichtenwelt einzutauchen, doch ein kleiner Anfall von ADHS hat mir gezeigt: Wirklich einen Bezug kann ich nicht herstellen. Also habe ich es gelassen und mich wie immer darauf konzentriert, was vor meinen Füßen passiert ist.

Nach den ersten 24 Stunden zuhause ist es wieder da, dieses Gefühl, auf dem Laufenden sein zu müssen. Ob das eine journalistische Krankheit ist oder reine Neugierde, kann ich schwer sagen. Doch es ist Teil meines Morgenrituals, meinen favorisierten Radiosender anzuklicken und mir einzelne Beiträge anzuhören. Ich bin ja eh schon selektiv unterwegs, seit ich meine Interessen auf fünf Themenbereiche eingegrenzt habe. Doch selbst bei diesen ist es schwierig, eines zu finden: positive Perspektiven.

Es läuft mehr oder weniger stets auf Pleiten, Pech und Pannen hinaus. Und ich frage mich, ob ich dabei nicht selbst Schuld daran trage. Nicht an den drei Ps, aber daran, was ich mir für die morgendliche Einstimmung aussuche. Anders als bei manchen Printmedien, wo die Schlagzeile mehr verspricht als der Artikel hält, schreibt der Radiosender stets das hin, was ich zu erwarten habe. Und wenn da beispielsweise steht, dass es einen verstärkten Rechtsruck in der Bevölkerung gibt, dann kriege ich das auch auf die Ohren. Insofern kann ich also kein Medienbashing betreiben, sondern mir nur über meine Auswahl Gedanken machen.

Und diese Gedanken zeigen mir, dass ich in einer Zwickmühle stecke. Zum einen bin ich überzeugt davon, dass alles mit allem zusammenhängt. Und zum anderen gefällt mir nicht, was da zusammenhängt. Zum einen will ich wissen, womit ich zusammenhänge, zum anderen gefällt mir nicht, was ich höre. Weil der Fokus eben sehr häufig auf dem liegt, was nicht funktioniert, was besorgniserregend ist oder sein kann, was es nicht alles zu befürchten gibt. Vielleicht hängt meine Zwickmühle damit zusammen, dass ich bei den negativen Schlagzeilen in ein Gefühl der Hilflosigkeit hineinfalle. Denn wenn etwas schlecht läuft, bin ich die Erste, die nach Lösungen zur Verbesserung sucht. Wenn sich also Menschen in eine Einstellung flüchten, die ihnen meiner Meinung nach nicht gut tut, will ich Argumente finden, um sie vom Gegenteil zu überzeugen. Wenn Menschen verängstigt sind, will ich ihnen Mut machen. Wenn sie wütend durch die Gegend brandschatzen, will ich sie beruhigen. Doch kann ich das? Meistens nicht.

Mein ältester Sohn sagt immer, dass jeder Mensch dazu beitragen kann, die positive Frequenz der Welt zu erhöhen. Und das versuche ich ja auch. Trotzdem tönen nach wie vor die Katastrophen aus den morgendlichen Lautsprechern und geben mir das Gefühl, dass ich offensichtlich noch mehr versuchen muss, die positive Frequenz der Erde zu heben. Doch kann ich mehr tun, als ich eh schon ausprobiere? Nicht ohne spirituelles Burnout.

Und deshalb bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als mich von einem meiner Morgenrituale zu verabschieden und trotzdem hoch frequent zu schwingen. Irgendwo werden meine Wellen schon ankommen, zumindest bei den Menschen in meinem Leben. Sie verlieben sich, treten neue Jobs an, experimentieren und wagen sich aus ihrer Komfortzone heraus. Dass ich durch die Informationsdiät vielleicht den Anschluss an Krieg und Katastrophen verliere, mag sein. Doch am Ende des Tages möchte ich mit Dankbarkeit auf das Gute in meinem Leben blicken und nicht daran verzweifeln, was andere in ihrem Leben versäumen. Der Radio bleibt ab sofort aus. Sendepause.

Die gesprochene Version dieses Textes finden Sie auf www.voll50.com/category/podcast

FREITAG: Meer Gleichmut!

Offenbar war ich schon als Baby am Meer, und das war wohl der Beginn einer lebenslange, unstillbaren Liebe zu diesem Element, das nur durch Musik übertroffen wird.

Am vergangenen Wochenende habe ich noch einmal getankt – Meer getankt. Denn auch wenn ich hier nur zehn Gehminuten vom Strand entfernt arbeite, bedeutet das nicht, dass ich jeden Tag die Wellen sehe oder höre. Umso wichtiger ist es für mich, wenigstens am Wochenende – so das Wetter es zulässt – meine Zehen in den Sand zu graben und mit diesem gewaltigen Element eins zu werden.

Mir wurde erzählt, dass ich schon als Baby ans Mittelmeer gebracht worden bin. Ich erinnere mich an das zweite Mal, vor allem auch, weil ich dort meine erste Portion Spaghetti Vongole gegessen habe – erst mit Skepsis, doch dann mit endloser Begeisterung, die bis zum heutigen Tag anhält. Woran ich mich auch erinnere, ist, dass ich mich ständig gefragt habe, woher diese Liebe zum Meer kommt, warum es einfach mindestens einmal im Jahr sein muss, dass ich die Weite erfahre. Denn früher war ich oft enttäuscht von dem Ausblick. Der Grund dafür war, dass ich in Filmen oft Ansichten davon bekam, die mit Musik untermalt waren. Und wenn ich dann selbst aufs Meer geschaut habe, war da kein einziger Ton außer dem Wellenrauschen und manchmal auch Menschenstimmen. Dann kam der Walkmen und alles danach, was er angestoßen hat. Und plötzlich waren beide großen Lieben wundersam vereint.

Seitdem habe ich meine Musik an viele Strände dieser Welt getragen und durfte nahezu unendliche Momente dieser Vereinigung erleben. Dass ich in einem dieser Momente einen Mann erleben durfte, der sich im Takt zur Musik in meinem Ohren bewegte, ohne sie zu hören, war einer der magischsten Augenblicke in meinem Leben. Neben ihm sitzend aufs Meer zu schauen und auf einmal den Strand auch ohne Musik in mich aufnehmen zu können, zeigt seine persönlichen Qualitäten. Denn er hat auf mich eine ähnliche Wirkung wie das Meer: Beide beruhigen mein Inneres.

Normalerweise bin ich ständig am Tun und Machen, Nachdenken und Überlegen, Planen und Verwerfen. Das ist meine Natur, weil ich eben glaube, dass ein Leben gestaltet werden will. Und das tue ich mit anhaltender Begeisterung, völlig unabhängig vom Alter. Schließlich gibt es in jeder Lebensphase etwas, was ich gestalten kann. Manchmal allerdings werde auch ich müde, weil das Kreieren ja auch ständige Aufmerksamkeit erfordert, um Chancen erkennen und ausarbeiten zu können beispielsweise. Und nicht selten verhärtet sich da etwas in meinem Inneren. Das merke ich vor allem daran, dass ich keine Entscheidungen mehr treffen kann, weil die Wenn und Abers in meinem Kopf Tango tanzen. Und dann ist es Zeit fürs Meer.

Es ist zum einen die Bewegung am Strand, die mich wieder in den berühmten Flow bringt. Schon allein, dass ich achtsam gehe auf der nachgebenden Unterlage, bringt mich in den Augenblick. Dann die Wellen, die in gleichmäßigem Rhythmus vor- und zurückschwingen, wild und unbändig, aber auch sanft und geduldig. Nichts hält sie davon ab, mit Gleichmut ihrer Wege zu gehen. Und das färbt auf mich ab. Zum einen brechen sie dadurch meine inneren Verschränkungen auf, zum anderen beruhigen sie meine Wenn und Abers, die ich immer wieder gerne in ihre Richtung schicke und mir denke: „Nehmt sie ruhig mit, ich will sie gerade nicht mehr.“ Der Wind trägt das seinige dazu bei, diesen Prozess zu beschleunigen, und wenn ich dann am anderen Ende des Strands angekommen bin, fühle ich mich leichter, leerer. In einer guten Art und Weise.

Seit vielen Jahren habe ich diesen Traum, einmal am Meer eine Bleibe zu finden, in der ich diese Therapie permanent leben kann. Wichtig ist dabei der Blick aufs Meer, auf dieses Vor und Zurück, das mich und meine Gedanken schaukelt und zur Ruhe bringt. Doch wenn es um die Verwirklichung dieses Traumes geht, tanze ich wieder Tango. Deshalb habe ich jetzt beschlossen, wieder einmal einen Wunschzettel ans Universum zu schreiben mit der Bitte, diesen Ort zu finden und zu erschließen. Bei meinem Mann hat diese Methode nach jahrelangen Gleichmutübungen an den Stränden dieser Welt ja auch geklappt. Ich werde berichten.

Die gesprochene Version dieses Textes finden Sie auf www.voll50.com/category/podcast

FREITAG: Arbeiten, wo andere Urlaub machen

Es mag ja ganz romantisch klingen, wenn eine Nachrichten des sozialen Zirkels aus dem Ausland eintreffen. Doch nicht immer steckt dahinter ein Urlaub.

Ein Freund von mir ist früher immer zum Arbeiten nach Thailand geflogen. Nicht dass er dort einen Job angenommen hätte: Seine Arbeit befand sich im Rucksack, denn er hatte sie in Form seines Laptops eingepackt. Nicht dass er während des Jahres zuhause nicht gearbeitet hätte: In Thailand fand er endlich die Möglichkeit, Liegengebliebenes abzuarbeiten und neue Ideen zu entwickeln.

Eine Freundin von mir hat das heuer im Frühling ausprobiert, in Kombination mit Arbeiten vor Ort. Den halben Tag hat sie eine Finca aufgeräumt, den anderen halben Tag an eigenen Projekten getüftelt. Für sie war es das erste Mal, der erwähnte Freund war darin schon fast ein Weltmeister. Und auch ich bin nicht ständig auf Urlaub, nur weil ich seit einiger Zeit öfters im Ausland bin. Wir sind drei von etwa 35 Millionen digitalen Nomaden, die es schätzungsweise auf diesem Planeten gibt.

Für alle, denen das nichts sagt: Das sind Menschen, die von überall aus arbeiten können – sei es vom Küchentisch, einem Co-Working-Space, einem Internetcafé oder während ihrer Reisen um die Welt. Und deren wichtigste Arbeitsgeräte ein Laptop, eine Internetverbindung und die eigene Kreativität sind. Ich erinnere mich gerne an den Besuch eines Co-Working-Spaces auf Bali, zu dem mich ein anderer Freund geschickt hatte, weil er sich überlegte, auch einmal im Ausland leben und arbeiten zu wollen. Und zugegebenermaßen machte mir dieses Bambushaus unter Palmen selbst Lust darauf. Ich erinnerte mich wieder daran, dass ich dem Universum einmal den Wunsch überreicht habe, ortsunabhängig arbeiten zu können. Meine Kusine übrigens auch, beiden ist es gelungen – nach einer mehr oder weniger langen Vorbereitungsphase.

Natürlich mag es sich für Menschen mit einem regelmäßigen Arbeitsrhythmus an einem festen Ort exotisch anfühlen, wenn wiederum andere einfach zusammenpacken und sich – wie mein Thailand-Freund – in einer Hütte am Strand einmieten und bei Meeresrauschen vor sich hin werkeln können. Wenn meine Freundin in den tiefsten österreichischen Spätwinter Bilder von blühenden Bäumen schickt, unter denen sie arbeitet. Oder ich vom Strand erzähle, während Menschen zuhause Schnee schaufeln. Doch es ist nicht alles so kunterbunt, wie es auf den ersten Blick scheint.

Punkt 1. Viele dieser digitalen Nomaden sind selbständig. Sprich: Ihr Einkommen füllt nicht zwangsläufig in regelmäßigen Abständen ihr Konto auf. Da kann es oft hilfreich sein, an einem Ort zu arbeiten, wo die Lebenshaltungskosten geringer sind als zuhause. Punkt 2. Das Arbeiten im Ausland ist mit sehr viel Organisation verbunden, die eng mit einer Internetverbindung verknüpft ist. Und Strom, wie in meinem Fall. Fehlt beides, müssen Lösungen gefunden werden. Um am vergangenen Wochenende einen Online-Workshop halten zu können, musste ich einen Ort finden, der mich in einem Land der stundenweisen Stromabschaltungen trotzdem mit Elektrizität versorgt. Und während ich nur ein paar Straßen weiterziehen musste, erinnere ich mich an ein Jahr, wo der Thailand-Liebhaber das Land wechselte, nachdem er den Fehler gemacht hatte, einmal NICHT nach Thailand zu fliegen. Weil er eben NICHT arbeiten konnte wie gewohnt. Punkt 3. Man braucht ein hohes Maß an Selbstdisziplin, denn an schönen Orten zu arbeiten bedeutet auch, von deren Schönheit verführt zu werden. Dieses Problem haben Menschen in Großraumbüros nicht.

Wer also im Ausland arbeitet, hat einiges zu bewältigen, eben auch den Preis der Freiheit zu zahlen. Während es für die einen zweckmäßig ist, sich über eine regelmäßige Arbeitssituation zu freuen, ist es heutzutage ebenso möglich, anderen Arbeitsformen nachzugehen. Ich erinnere mich an einen „Urlaub“, wo ich nach drei Wochen eine Nachricht mit dem Inhalt „Hört Dein Urlaub auch irgendwann einmal wieder auf?“ bekam. Dass ich in dieser Zeit gearbeitet, Pläne geschmiedet und an Projekten gearbeitet hatte, schien für den Absender keine Option zu sein. Doch angesichts von 32 Millionen Menschen, die dieses ortsunabhängige Arbeitsdasein zelebrieren, kann man sich schon einmal daran gewöhnen – wenn man es schon während der Lockdown-Zeit nicht geschafft hat, umzudenken. Die Generation Z ist schon dabei, die Arbeitsmodelle umzukrempeln. Jungen Menschen, die zwischen 1997 und 2012 geboren wurden, bevorzugen das ortsunabhängige Arbeiten in hohem Maße. Und ob diese 60 Prozent dann von Zuhause oder Ouagadougou aus arbeiten, muss den Arbeitgebern dann egal sein. Wir werden sehen, wie schnell das gehen wird. Und hoffentlich brauchen wir dafür nicht wieder einen Lockdown, auch wenn „Pirola“ schon an die Türe klopft.

Die gesprochene Version dieses Textes finden Sie auf www.voll50.com/category/podcast

FREITAG: Liebe versprühen

Es ist ganz interessant, wie Menschen mit dem Thema Liebe umgehen, es entweder zelebrieren oder lieber im Geheimen genießen. Ich persönlich bin ja für Offenheit.

Hier am Kap gibt es jedes Wochenende einen kleinen, aber sehr feinen Markt. Stände mit keramische Knoblauchpressen, Biltongs, Nüssen, Second Hand – Kleidung und alten CDs vermischen sich mit Essensanbietern aus vielen Ländern. Polnisches Frühstück gibt es hier ebenso wie persische Lammpregos, spanische Paella und belgische Waffeln. In der Mitte brennt ein großes Kaminfeuern, an dem sich die BesucherInnen in Zeiten des ausklingenden Winters wärmen können – falls sie nicht durch die Freitagsband zum schweißtreibenden Grooven eingeladen werden.

Mein Mann und ich gehen gerne hierher, weil die Atmosphäre heimelig und kreativ ist und stets eine Überraschung für uns bereit hält. Nämlich jene, dass immer jemand auf uns zukommt und wissen will, warum Menschen jenseits der 50 sich in der Öffentlichkeit küssen. Und wie das alles gekommen ist. Und wie lange wir uns schon kennen. Nicht selten schleicht sich ein Hauch von Enttäuschung über die verschiedenen Gesichter, wenn wir die Wahrheit sagen und nicht die heimliche Hoffnung bestätigen, dass man selbst nach über 20 Jahren Ehe oder Partnerschaft noch verliebt sein kann. Denn das – scheint mir – wollen die Menschen hören, überall auf der Welt.

Ich halte das nicht für ausgeschlossen, auch wenn ich nur eine halbe Hand brauche, um Beispiele zu finden. Und doch merke ich während dieser Marktgespräche, dass das Thema Liebe auch jenseits von Erwartungen ein gleichbleibend wichtiges ist – für Jung und Alt. Selbst wenn wir beide mit graumelierten Haaren knutschend vor dem Kaminfeuer sitzen, wollen die Menschen unsere Geschichte hören – allein letzten Freitag waren es zehn an der Zahl. Sie lassen sich unsere Geschichte erzählen, wollen Tipps bekommen und wünschen uns viel Glück weiterhin. Vor allem junge Menschen sind dabei sehr offen, erzählen ihrerseits, wie es ihnen mit dem schönsten aller Gefühle ergeht, und letztens hat jemand an meinem Arm gerieben, wie ich früher den Bauch meines lachenden Buddhas gerieben habe, wenn ich um Glück bitten wollte.

Hier in Südafrika erlebe ich immer wieder diese Offenheit der Menschen, die keine Angst davor haben, die wirklich wichtigen Themen ihres Alltags anzusprechen. Und natürlich sind die Lebensumstände hier genauso wenig rosig wie mancherorts in der nördlichen Hemisphäre. Trotzdem gehen Menschen aufeinander zu, wollen Beobachtungen teilen und sind interessiert an allem, was sie nicht kennen. Kaum habe ich jemals eine Reaktion registriert, die mir Missgunst, Ablehnung oder Verurteilung signalisiert hätte. Im Norden ist das etwas anders.

Vermutlich sind es die Prioritäten, die Menschen zurückhaltend sein lassen. Während hier Ubuntu, als das Bewusstsein, dass man selbst Teil eines Ganzen ist, spürbar ist, scheint mir zuhause diese Art der Verbundenheit etwas vernachlässigt zu werden. Man ist achtsam, welche Informationen man mit wem teilt, unterscheidet, bewertet und kategorisiert. Natürlich erleichtert das das Denken, denn schließlich ist es eine unglaubliche Informationsflut, die tagtäglich über uns hereinbricht und die man erst einmal bewältigen muss. Ohne Schubladen geht das kaum, das Sortieren. Doch oft habe ich den Eindruck, dass diese Bewertungen manchmal ins Kraut schießen und auch dann stattfinden, wenn man etwas einfach stehen lassen, vielleicht sogar genießen oder erleben könnte. Und das macht ein Leben ärmer, finde ich.

Ich persönlich beobachte von Herzen gerne. Nicht nur, weil ich mir durch diese Beobachtungen Geschichten ausdenken kann, wie wer beispielsweise eine außergewöhnliche Falte in seinem Gesicht bekommen hat. Und ich beobachte noch lieber Paare, die sich nicht schweigend gegenüber sitzen, im besten Fall gegenseitig die Hand oder das Schulterblatt tätscheln oder Monologe führen. Sondern bei denen man merkt, warum sie zusammen sind. Jetzt könnte man ja sagen, dass es niemanden etwas angeht, warum Paare beschlossen haben, gemeinsame Zeit miteinander zu verbringen. Und ja, das stimmt natürlich. Doch gemäß der Ubuntu-Philosophie sind wir Teil eines großen Ganzen, und ich als Beobachterin auch ein bisschen verliebt, wenn ich ein Liebespaar sehe. Oder ein Rockstar, wenn ich in ein Konzert gehe. Und in diesem Sinne denke ich, dass es mehr Menschen braucht, die mit ihren guten Gefühlen nach draußen gehen und sie verbreiten. Das kann Begeisterung ein, Freude, Heiterkeit oder eben Liebe. Und alle, die das beobachten dürfen, können Teil davon sein – wenn das nicht die Vibration der Welt hebt, weiß ich auch nicht.

Die gesprochene Version dieses Textes finden Sie auf www.voll50.com/category/podcast

FREITAG: Helfen (lassen) macht Freude!

In letzter Zeit bin ich etwas weinerlich – auf eine gute Art und Weise. Denn es halten mich so viele helfende Hände, dass ich meine Dankbarkeit irgendwo schwimmen lassen muss.

Seit Jahren spüre ich das Gefühl von Dankbarkeit in mir und stelle fest, um wie viel schöner mein Leben dadurch wird. Jede Kleinigkeit – und sei es auch nur ein Schmetterling, der in Seelenruhe im tiefen Violett des Flieders versinkt – macht mir klar, wie wunderbar mein Dasein ist, ohne dass ich großartig etwas dazu beitragen muss. Die Welt ist auch ohne mein Zutun großartig. Dieses Bewusstsein hat mein Leben unendlich verbessert, erweitert und geerdet.

Vielfach unterscheidet man ja zwischen Gebern und Nehmern, also Menschen, die vorrangig schenkende Hände haben oder eben Hände ausstrecken. Ich schenke gerne, immer schon – und das muss nicht zwangsläufig etwas Materielles sein, auch wenn ich Stunden damit verbringen kann, nach einem passenden Geschenk für einen bestimmten Menschen zu suchen. Es soll nämlich diesem Menschen entsprechen und nicht einfach nur materieller Ausdruck dessen sein, dass ich an dessen Geburtstag oder Weihnachtsgeschenk gedacht habe. Da bin ich so radikal, dass ich lieber nichts schenke, wenn ich eben nichts finde oder entdecke. In solchen Fällen muss dann mein breites Lächeln genug sein.

Die Gefahr für Menschen mit schenkenden Händen ist, dass sie völlig auf die Balance zwischen Geben und Nehmen vergessen. Und irgendwann einmal ist ihre Hälfte der Waage am Boden und der Mensch mit ihr. Das ist eine der wertvollen Einsichten, die ich im Laufe der letzten 57 Jahre gewinnen durfte. Es hat ein wenig gedauert, bis ich diese Erkenntnis auch auf den Boden gebracht habe, doch jetzt ist meine Achtsamkeit geschärft. Vor allem in meiner Partnerschaft war es mir von Anfang an wichtig, diese Balance zu halten. Glücklicherweise ist das weder meinem Partner noch mir schwer gefallen, weil wir einfach alles für einander bereit halten, was der jeweils andere braucht und möchte.

Und weil das so ist, werden wir im August heiraten. Das schwarz auf weiß zu lesen, flasht mich immer noch, da ich mehrere Jahrzehnte meines Lebens eine erklärte Gegnerin dieser Lebensform war. Das fußt auf einem lang zurück liegenden Disput mit meinem Vater. Er behauptete damals, dass eine Ehe leichter zu führen ist als eine Partnerschaft, die aufgrund des abwesenden Ehegelübdes eben volatiler sein. Ich hielt dagegen, dass man sich in einem „schlamperten Verhältnis“ ja gerade deshalb mehr anstrengen würde, weil eben kein Versprechen dahinter stünde. 18 Jahre lang habe ich ihm das bewiesen – meine Großmutter meinte, dass viele Ehen nicht so lange dauern würden. Darauf war ich stolz.

Jetzt liegen die Karten anders, jetzt darf es die verschärfte Variante einer Partnerschaft sein. Denn es ist ein wahres Glück, jenseits der 50 einen Menschen zu finden, der sich mit seiner Einstellung und seinen Gewohnheiten elegant in das eigene Lebensmodell einfügt. Doch am Anfang dieser verschärften Variante steht bekanntlich die Hochzeit, und das ist jede Menge Arbeit – vor allem, wenn der Partner auf einem anderen Kontinent sitzt, helfen möchte, aber nicht kann, weil 9.000 Kilometer eben nicht mit einem Fingerschnipsen zu überwinden sind. Sollte jemand die Mailadresse von Scotty haben – bitte schicken!

Nichtsdestotrotz: Man wächst an den Herausforderungen, und gemeinsame Gedanken werden also nun seit einiger Zeit langsam in Richtung Realisierung geschubst. Doch auch wenn meine Großmutter mir das Prädikat einer „starken Frau“ verliehen hat, war diese Aufgabe zu groß für mich. Und das haben wohl auch meine Familie, Freundinnen und Freunde so gesehen, die mir und uns auf wunderbare Art und Weise zur Seite stehen. Da werden Poltertage und -abende organisiert, Dekorationen übernommen, Einladungen entworfen, Essensagenden erfüllt, Musik geprobt und Ideen eingebracht. So können Pläne entstehen, deren Umsetzung nicht nur das Brautpaar, sondern auch alle Beteiligten mit viel Freude und Glück erfüllen werden. Das zu erleben, erfüllt mich rund um die Uhr mit einer unendlichen Dankbarkeit und berührt mich zutiefst. Nie – und ich verwende dieses Wort äußerst spärlich – hätte ich mit dieser geballten Kraft an Hilfsbereitschaft und Unterstützung gerechnet.

Deshalb finde ich mich selbst in diesen Tagen immer wieder mit Tränen in die Augen, weil ich vollkommen überwältigt bin von der Freundlichkeit meines sozialen Umfelds. Aber auch deshalb, weil ich offenbar inzwischen gelernt habe, wie sehr man beschenkt wird, wenn man Geschenke zu akzeptieren lernt. Wenn man bereit dafür ist, anderen die Freude des Schenkens zu lassen, die man selbst jahrzehntelang empfunden hat. Insofern muss ich fast ein wenig mit mir schimpfen ob des Egoismus‘, immer nur die Gebende sein zu wollen. Und die Freude dafür für mich alleine haben zu wollen. Ich musste 57 Jahre werden, um das zu begreifen. Und weil ich das alles jetzt auch erleben werde, macht der FREITAG jetzt Sommerpause bis September. Habt eine schöne Zeit!

Die gesprochene Version dieses Textes finden Sie auf www.voll50.com/category/podcast

FREITAG: Selbstwert-ständlich freundlich

Ich bin wirklich gerne Österreicherin, denn dieses Land hat eine Fülle von Kostbarkeiten, die es selten auf so kleiner Fläche geballt gibt. Hier leben zu dürfen, macht mich sehr dankbar. Doch offenbar geht das nicht allen Menschen hierzulande so.

Ganz verstehe ich diese Studie, die Österreich zum unfreundlichsten Land unter 52 anderen weltweit gewählt hat, nicht. Denn die Lebensqualität hierzulande landet unter den Top 5. Darunter fallen Reisen, Umwelt, Sicherheit, Freizeitmöglichkeiten und Gesundheitswesen. Gut, gehört alles irgendwie zur Lebensqualität, doch die Internation-Studie hat eben noch einen anderen Aspekt abgefragt: wie leicht man sich eingewöhnen kann. Und da kommt die Freundlichkeit ins Spiel, mit der die Menschen dieses Landes offenbar so ihre Schwierigkeiten haben.

Kürzlich habe ich mit einer Wirtin gesprochen, die an der Grenze zwischen Kärnten und Italien ein kleines, feines Restaurant betreibt. Gleich am Anfang hatte ich das Gefühl, dass ihr irgendetwas über die Leber gekrochen sein musste, da sie mich wenig charmant aufforderte, mein Auto in einer bestimmten Art und Weise zu parken. Gehört, getan – doch ich war dann eben auch sehr förmlich. Und wie es halt oft so ist, sahen wir uns beim Rauchen im Garten ein zweites Mal. Und ich erfuhr, woher ihre schlechte Laune stammte und konnte ihr nur mein Mitgefühl aussprechen. Wenn man einerseits in der Gastronomie kein Personal bekommt und alles selbst machen muss, andererseits Gäste hat, die es nicht aushalten, wenn die Mundwinkel einmal nach unten hängen und alles persönlich nehmen – woher soll der Charme-Boost kommen? Wir haben alle schlechte Tage, manche haben mehrere davon, übers Jahr gesehen.

Wenn also ein Expat – darunter versteht manMenschen, die im Ausland arbeiten und wohnen – eine Reise tut und dann auf eine völlig überarbeitete Hotelchefin oder einen hart an der Grenze zum Burnout entlang schrammenden Barista trifft, kann die Idylle schon einmal bröckeln. Ähnliches passiert auch, wenn man durch eine wunderbar intakte Landschaft fährt und das Gefühl hat, dass hier die Umwelt noch in Ordnung ist, dann aber im Stau auf der Wiener Ringstraße steht, weil die „Letzte Generation“ mit einer Demonstration den Verkehr lahm legt. Und dass die nicht gut gelaunt sind, ist hinlänglich bekannt. Ähnliches gilt für das Gesundheitswesen, das ebenfalls seit Corona von Überlastung des Personals betroffen ist. Selbst wenn wir gut versorgt werden, bedeutet das nicht automatisch, dass wir auch mit Freundlichkeit versorgt werden. Geschenkt. Und wenn der Stehpaddel-Lehrer einen schlechten Tag hat, weil er Menschen wie mich instruieren muss, die absolut kein Gleichgewichtsgefühl haben, sollte ich mich nicht wundern, wenn er grummelt – auch wenn ich das Stehpaddeln lernen darf.

Bei mir persönlich braucht es sehr viel, damit ich die Contenance verliere. Ich würde mich selbst als einen überaus freundlichen Menschen bezeichnen, weil mir sehr bewusst ist, dass andere meist nichts mit meinen schlechten Tagen oder sonstigen Vorkommnissen zu tun haben. Und merke ich, dass mein Gegenüber zu viel Energie aufwenden muss, um die Mundwinkel in die Höhe zu bringen, helfe ich gerne nach – mit Freundlichkeit, oft auch mit Unterstützungsangeboten. Und das fällt mir vor allem deshalb leicht, weil ich meinen eigenen Wert kenne. In weiterer Folge bedeutet das: Wenn ich meinen eigenen Wert kenne, kann ich auch anderen ihren Wert lassen oder ihn anerkennen. Ein Kompliment in ein grantiges Gesicht wirkt manchmal Wunder!

Oft habe ich den Eindruck, dass Menschen vor allem deshalb schlecht gelaunt sind, weil sie sich unterbewertet fühlen. Weil sie zu wenig Anerkennung bekommen – von anderen, aber auch von sich selbst. Seinen eigenen Wert zu kennen, hat sehr viel damit zu tun, hin und wieder auch einmal sanft mit sich umzugehen, den Perfektionismus rauszukicken und langsamer zu gehen. Und dann kann man auch mit anderen verständnisvoller umgehen. Das gilt für die Menschen in Österreich, aber auch für die Expats. Und generell sowieso.

Die gesprochene Version dieses Textes finden Sie auf www.voll50.com/category/podcast

FREITAG: Selbstfürsorge mit Kindern

Es ist ja jetzt schon eine Zeitlang her, dass ich Kinder in meinem täglichen Leben hatte – mein Jüngster wird heuer 27. Doch kürzlich hatte ich die Gelegenheit, wieder in kindliche Sphären einzutauchen.

Eigentlich wollten eine Freundin und ich vor kurzem in ein Vier-Augen-Gespräch unter Frauen eintauchen, in der Natur picknicken, Karten legen und über das Leben philosophieren. Und zu einem gewissen Grad ist uns das auch gelungen, weil es immer sehr schnell gelingt, wenn wir uns treffen. Allerdings hat sich vor etwas mehr als einem Jahr ein kleiner Mann in diese Vier-Augen-Gespräche eingeschlichen, die auch vier Hände und Arme zum Einsatz bringen. Denn ein Baby will umarmt und gehalten, gefüttert und umsorgt werden. Da sind Weibergespräche von Natur aus erst einmal nachrangig. Mir macht das nichts aus, denn ich habe ein enges Verhältnis zu meinem inneren Kind, auch wenn die erwachsene Frau hin und wieder erwachsene Gespräche führen möchte. Ich kann da problemlos hin und her switchen. Vor allem dann, wenn ein Zwergerl mit mir Handy-Gespräche führen will, den erhitzten Rücken geblasen bekommen möchte und überhaupt gar nicht oft genug geküsst werden will. Prioritäten zu setzen geht in solchen Fällen ganz leicht.

Ich kann mich noch erinnern, als meine Kinder ihre ersten Handys bekommen haben. Da waren sie viel älter, und die Handys konnten damals auch noch nicht so viel wie heute. Wir fanden das damals eine ganz gute Idee, weil wir ihnen die Möglichkeit geben wollten, Kontakt aufzunehmen, falls sie uns brauchen würden. Heutzutage übernimmt das Mobiltelefon bei Kindern oft schon ganz andere Aufgaben, vor allem jene der Bespaßung. Nicht dass das Zwergerl diese Bespaßung brauchen würde – doch das alte, ausgeschaltete Handy bereitet ihm einfach Freude, da er beim Spiel der Großen mitmachen kann. Und für uns Große gibt es eben kein Leben ohne diese elektronischen Plagegeister. Ich beklage mich nicht, könnte ich doch ohne sie keine Fernbeziehung führen.

Dazu gehören neben langen Video-Telefonaten auch Videos, die eine Beziehung mit Leben erfüllen. Ich als Nachteule nehme normalerweise jeden Abend eines für meinen Liebsten auf, damit er – die Lerche – einen angenehmen Tagesstart hat, während ich noch schlafe. Beides war an diesem Tag nicht möglich, da ich einen Übernachtungsgast hatte. Schon vor Monaten wollte er mit mir auf der Terrasse in der Hängeschaukel schlafen, doch der straffe Zeitplan und das Wetter haben uns immer wieder torpediert. An diesem Tag allerdings passte alles. Meinen Claudia-Tag hatte ich ohnehin ausgesetzt, er hatte Ferien, die Temperaturen lagen selbst nach 21 Uhr noch knapp unter 30 Grad – besser ging’s nicht.

Mit dem Seilzug wurden seine notwendigen Schlafutensilien vom Nachbarhaus auf die Terrasse transportiert, er kam bereits im Schlafanzug. Was allerdings nicht bedeutete, dass wir uns unmittelbar niederlegten. Wir haben sorgfältig die Hängematte hergerichtet, einen Tom und Jerry-Film angeschaut, eine Runde durch den nächtlichen Garten gemacht, um die Leuchtkörper zu zählen und dann natürlich noch ausgiebig geplaudert. Wie gesagt, ich bin eine Nachteule, aber mein kleiner Nachbar schlägt mich bei weitem – wenn er einmal die Gelegenheit dazu hat. Es war ein großartiger Abend auf der hängenden Liegematte, und der Schlaf war wider Erwarten auch gut. Für uns beide. Dass er sich mit der Taschenlampe über mich drüber gewälzt hat, um alleine auf die Toilette zu gehen, habe ich noch nicht einmal mitbekommen.

Es macht mir großen Spaß, mich auf die Gedanken von Kindern einzulassen. Leider habe ich das erst mit 30 Jahren begriffen, aber hey – besser spät, als nie. Und auch wenn mir bewusst ist, dass diese Kinderidylle irgendwann einmal von der Realität aufgebrochen wird, weil Entwicklung einfach stattfinden muss, werde ich das Vertrauen in jüngere Generationen behalten. Sie sind unsere Zukunft, und wir können sie gar nicht achtsam genug auf diese Realität vorbereiten. Was uns Erwachsene aber nicht davon abhält, uns selbst stetig weiter zu entwickeln. Doch das ist wieder ein anderes Thema.

Die gesprochene Version dieses Textes finden Sie auf www.voll50.com/category/podcast

FREITAG: Im Schweiße des Glücks

Ich bin ja im Grunde der Meinung, dass Männer gar nicht so kompliziert sind, wie wir Frauen immer denken. Doch das Bedeutsame zwischen den Zeilen zu lesen, kann manchmal hilfreich sein.

Es ist ja kein Geheimnis, dass die Wechseljahre einen tieferen Sinn haben im Leben einer Frau. Da wird vieles auf die Probe gestellt, hinterfragt, angezweifelt – vor allem tief drin in der Frau. Die alles überspannende Frage ist: Dient mir das noch oder kann das weg? Doch um eine Antwort zu finden, ist eine Wechseljahre-Frau meist zu beschäftigt: mit dem Job, mit dem Mann, mit den Kindern, mit dem Freundeskreis, mit der ehrenamtlichen Arbeit, mit den Eltern und, und, und. Da reiht sie sich meist an die letzte Stelle einer schier endlosen Liste. Und schwitzt. Und schläft schlecht. Und ist noch schlechter gelaunt.

Am Beginn meiner wechselhaften Jahre ging es mir genauso. Und ich sage ganz offen: Ich hasste diesen Zustand. Vor allem deshalb, weil ich mich selbst nicht mehr wiedererkannt habe. Dass genau diese Jahre dafür gedacht sind, sich selbst zu erkennen, war mir damals nicht bewusst. Doch als ich das dann in mein Denken integriert hatte, ging das mit dem Erkennen und Verändern doch recht zügig. Mein damaliger Partner war not amused.

Ich spreche immer wieder mit Männern, deren Frauen sich in den Wechseljahren befinden. Und dabei begleitet sie meist ein Schulterzucken, weil sie absolut nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen. Lösungsorientiert wie sie sind, wollen sie unterstützen und machen die Situation meist noch schlimmer. Weil der Zustand der Frau eben superkomplex ist und sie meist gar nicht weiß, was sie will oder braucht. Und es doch wissen möchte, allerdings keine Zeit dazu hat, sich das zu überlegen. Auch weil sie viel zu erschöpft ist, um darüber nachzudenken. Die Erschöpfung resultiert meiner Erfahrung nach daraus, dass sie die notwendige Veränderung spürt und sie möchte, allerdings nicht weiß, wie sie das innerhalb ihrer vielen verschiedenen Rollen umsetzen kann. Und da sinkt die Laune ganz schnell ganz tief in den Keller, weil das Leben ja trotzdem weitergeht. Und in jeder Situation, wo man die Frau gegen den unentschiedenen Strich bürstet, fährt sie die Krallen aus. Weil sie keine Kapazitäten für eine andere Reaktion hat.

Kürzlich habe ich mit einem Freund geredet, der ein Leben zwischen pubertierender Tochter und menopausierender Ehefrau führt. Wenn man ihn fragt, wie es ihm geht, sagt er genau das und das reicht für ihn, weil es für ihn alles sagt. Und weil ich inzwischen Männern mit viel Wohlwollen begegne, weiß ich, dass er sich nicht nur beklagt, dass beide Frauen so aus der Balance sind. Sondern er bedauert, dass er vor allem seine Frau nicht mehr glücklich sieht. Weil er das Lächeln vermisst, das ihr zwischen Schlafmangel und Schwitzen einfach abhanden gekommen ist.

Ich kann es nicht oft genug betonen: Männer sind auch nur Menschen, die manchmal eine Pause brauchen von den Pflichten, die sie sich selbst und die Gesellschaft und die Tradition und die Erziehung und und und ihnen auferlegt haben. Und diese Pause machen sie gerne mit einer glücklichen Frau. Am allerliebsten mit jener Frau, bei der sie das Gefühl haben, dass sie zu ihrem Glück beigetragen haben.

Jetzt könnten wir Frauen ja locker sagen, dass Männer sich eben anstrengen müssen, um uns glücklich zu machen, dann klappt’s auch mit dem Lächeln. Ich persönlich habe mich von dieser Art Abhängigkeit verabschiedet. Ich bin für mein Glück selbst verantwortlich, weil ich es als meine Verantwortung ansehe, jeden Tag zum schönsten meines Lebens zu machen. Der Mann in meinem Leben kann das unterstützen, wegnehmen kann er es nur, wenn er einen kapitalen Bock schießt. Was er nicht tun wird, weil er Waffen hasst. Hingegen liebt er es, wenn ich glücklich bin, auch ohne sein Zutun. Weil ihn das der Verantwortung enthebt, für ein Wesen Verantwortung zu übernehmen, das er nicht hundertprozentig durchschaut. Und seien wir uns ehrlich: Kein Mann kann das leisten. Dafür sind wir Frauen einfach zu komplex, auch außerhalb der Wechseljahre. Und genau deshalb dürfen wir das Glück nicht delegieren, sondern danach suchen. Und es dann mit dem Geliebten teilen. Dann hört auch das Schulterzucken auf. Und das Schwitzen sowieso.

Die gesprochene Version dieses Textes finden Sie auf www.voll50.com/category/podcast

FREITAG: Extrem, diese Zeiten!

Endlich kann ich wieder auf der Terrasse schreiben, unter dem Sonnenschirm und der Trauerweide. Und wieder liegen ihre trockenen Blätter auf dem Tisch, weil es einfach zu selten regnet. Wir leben in Zeiten der Extreme.

Vor kurzem habe ich im Süden so gefroren, dass ich mir dort einen plüschigen Onesie gekauft habe. Mein Schrank dort ist ziemlich gut ausgestattet mit allerhand Flatterhaftem, das allerdings für Temperaturen jenseits der zehn Grad denkbar ungeeignet ist, um sich warm zu halten. Kaum zurück in den nördlichen Breiten schwitze ich selbst im feuchten Bikini, gehe entgegen meinen neuen Gewohnheiten wieder nach Mitternacht ins Bett und komme mit dem Gießen des Gartens kaum nach. Und dabei haben wir jetzt gerade einmal ein paar Tage Sommer – offiziell.

Kürzlich habe ich mich wieder einmal in einen Ausverkauf gestürzt, und zwar in einem Geschäft, das ich früher sehr häufig frequentiert habe, doch mangels ansprechender Fashionausrichtung letzthin gemieden habe. Als ich vor einigen Tagen daran vorbei kam, prangte nicht nur das „Sale“-Schild in rot, sondern auch dahinter lachten mir viele Farben entgegen. Deshalb ließ ich mich verführen. Nach meiner Klamotteneinkaufsregel verlasse ich ein Geschäft wieder, wenn ich weniger als zwei Dinge finde, die ich mir gefallen. Das hilft mir beim Geldsparen. An diesem Tag fand ich vier Stücke, die ich allerdings anprobieren musste. Ich hasse Umkleidekabinen, aus vielerlei Gründen, nicht nur wegen der Beleuchtung. Nichtsdestotrotz stellte ich mich in die Schlange von wenigstens 25 Menschen und wartet auf den für mich bestimmten Ort des Ausleuchtens. Und ähnlich wie im Supermarkt, wo ich mir die Zeit des Wartens dadurch versüße, dass ich mir die Einkäufe anderer Menschen vor mir anschaue und überlege, was die wohl damit machen, schaute ich mir auch die Kleidung jener Frauen an, die vor mir standen. Das ganze Geschäft voller Farbe, und vor mir wollten sie Versuche in Beige, Schwarz und Schwarz wagen. Und das wiederum sehe ich ja auch auf der Straße. Je bunter das Rundumangebot, desto eintöniger die getragene Mode.

Vor allem bei dieser Hitze bewege ich mich ja kaum aus meinem Haus. Hin und wieder darf ich zu meinen Nachbarn, die mich in ihrem Pool schwimmen lassen. Die Flamingo-Sparbüchse des Kleinen freut sich ob der Spende, die ich dafür hineinfallen lasse. Ich nenne das Energieausgleich. Und damit bin ich bei meinem dritten Beispiel der Extreme angekommen. Wenn man an einem Ort lebt, den Millionen von Menschen als Urlaubsdestination wählen, dürfte wohl klar sein, dass er kein schlechter ist. Dass Salzburg eine unvergleichliche Mischung zwischen Bergen und Seen, Kultur und Geschichte anbietet, macht diese Stadt zu einem wunderbaren Zuhause. Von meinem Haus an der Peripherie unternehme ich immer wieder einmal Ausflüge in die Innenstadt und staune selbst nach fast 40 Jahren über deren Schönheit. Wenn ich meine Augen allerdings von den Gebäuden auf die Menschen lenke, könnten sie genauso in einem schmuck- und leblosen Industriegelände unterwegs sein und sich wünschen, möglichst schnell wegzukommen.

Es ist mir bewusst, dass es heutzutage wenig schick ist, mit einem Lächeln durch die Gegend zu laufen – vor allem für junge Frauen. Und ich hoffe inständig, dass das nur eine Phase ist, durch die sie aufgrund von Trends durchmüssen. Und dass sie irgendwann einmal ihr Lächeln wiederfinden, das viel schöner ist als die vielen Schichten von Make-up, die manche von ihnen tragen. Leider musste ich bei meinen Stadtbummeln aber auch feststellen, dass Männer und Frauen jenseits dieses juvenilen Alters zum Lächeln offenbar in die Katakomben gehen. Was muss denn noch passieren, dass man Freude an seinem Dasein empfindet? Manchmal scheint mir, dass solche Menschen ihre Probleme mit sich tragen und sie selbst in wunderbaren Umgebungen nicht freisetzen können. Dass sie keinen Zugang dazu finden, im Augenblick zu sein, um sich zu schauen und sich daran zu freuen, was einfach IST. Ich habe schon öfters von meinem Aha-Erlebnis in einem Township von Kapstadt erzählt, wo sich 200 Menschen eine Toilette teilen, wo auf dem Grill Kutteln, Nieren und Leber liegen, weil sich die Bewohner und Bewohnerinnen nichts anderes leisten können. Doch was sie können, ist: Lachen, Singen und Tanzen. Weil sie noch Zugang zu ihrem inneren Kind haben, das das eben ab und an braucht. Kürzlich habe ich ein Video gesehen, das einen Mann auf einer Parkbank zeigte. Er saß alleine dort, auf den umgebenden Flächen waren Hunderte von Menschen zur Entspannung, zum Picknicken, zum Socializing versammelt. Und plötzlich fing dieser Mann einfach zu singen an und schaffte es, dass alle mitsangen. Ein wunderbares Beispiel für Augenblicksfreude, wie ich finde.

Ob LGPTQ oder Ukraine, ob Schwarz oder Weiß, ob Klimaaktivisten oder Leugnerinnen der Klimakrise: Wir dürfen endlich von den Extremen und dem Trennenden wegkommen. Wir dürfen sehen, dass alles sein darf, weil ohnehin alles ist. Wir dürfen damit aufhören, uns dem Fluss des Lebens in seiner Unruhe und Vielgestalt zu widersetzen. Und wir dürfen die Angst loslassen, dass alles, was dem Gewesenen widerspricht, schlecht ist. Veränderung ist immer eine Veränderung zum Besseren – versprochen!

Die gesprochene Version dieses Textes finden Sie auf www.voll50.com/category/podcast

FREITAG: Das Alter willkommen heißen

Alte FreundInnen sind etwas ganz Großartiges, vor allem weil ihre Gegenwart zeigt, dass die Freundschaft die Vergangenheit überlebt hat. Und die Zukunft gemächlicher ablaufen darf.

Langjährige Freundschaften beweisen ja dann ihre Qualität, wenn man sich trotz Phasen von Abwesenheit hinsetzen und einfach drauflos erzählen kann. Ohne sich vorher groß warm reden zu müssen, beispielsweise über das Wetter, die gestiegenen Lebensmittelpreise oder das Alter im speziellen. Da wird gleich nach dem „Wie geht’s Dir?“ Tacheles geredet. Weil man sich sicher ist, dass der oder die andere ganz bestimmt nicht nur aus Höflichkeit fragt, sondern wirklich wissen will, was Sache ist.

Ich pflege zwei Freundschaften, die sich bereits über vier Jahrzehnte erstrecken. Die eine etwas intensiver, weil wir einfach näher beieinander wohnen. Die andere, weil wir uns trotz der Distanz interessanterweise fast immer in ähnlichen Lebensphasen befinden. Dabei könnten unsere Leben nicht unterschiedlicher sein, beruflich, privat, historisch. Und doch waren wir anscheinend füreinander bestimmt, sonst wären wir uns nicht während der Wellentäler des Lebens treu geblieben. Ja, Freundschaften haben etwas mit Treue zu tun, mit Offenheit und der Bereitschaft, sich auf das Leben eines anderen Menschen einzulassen. Egal, wie unterschiedlich die Lebensentwürfe verlaufen.

Wenn ich mir diese beiden Freundinnen anschaue, könnten sie untereinander nicht unterschiedlicher sein. Und ich frage mich von Zeit zu Zeit, wie eine es zustande bringt, viele verschiedene Charaktere im sozialen Umfeld zu integrieren. Immer schon habe ich Menschen bewundert, deren Freundeskreis super kohärent ist. Wo alle die gleichen Interessen haben, die gleichen Urlaubsorte und Restaurants besuchen, manchmal sogar die gleichen Worte benutzen. Bei mir war das nie so. Ich war eine Sammlerin von Originalen, und Originale haben viele Qualitäten, doch integrieren lassen sie sich selten. Außer in mir. Ich hatte keine Probleme damit, sie in meine eigene Persönlichkeit zu integrieren. Doch auch da ändert sich gerade einiges.

Ich stelle fest, dass ich Originale nur mehr selten interessant finde. Also neue. Und selbst bei den „alten“ merke ich meine schwindende Bereitschaft, Kontakte zu pflegen. Weil ich ja weiß, was mich erwartet, und ich mir inzwischen überlege, ob ich die Zeit dafür aufwenden möchte. Interessanterweise fehlt mir durch das Ausschleifen der Originale kaum etwas, weil in gleichem Maße Menschen in mein Leben gekommen sind, die mir ähnlicher sind. Vermutlich hängt das damit zusammen, dass ich inzwischen weniger auf Ergänzung, vielmehr auf Gleichklang gepolt bin. Ich genieße die Gegenwart von Menschen, die weder mich noch ich sie erobern und überzeugen müssen beziehungsweise muss. Der Moment, wo ich feststelle, dass jemand ähnlich tickt, ist mir stets ein freudiger und entspannender. Gleichzeitig sind auch jene Freundschaften stärker geworden, die in ähnlichen Geleisen fahren.

Ich schreibe das tatsächlich dem Alter zu. Nicht, dass ich gefährdet wäre, mir die Lippen zu füllen, den Po aufspritzen oder die Brüste vergrößern zu lassen – mitnichten! Ich bin sehr zufrieden mit meinem Spiegelbild. Doch ich merke schon, dass ich mir lange genug vorgesagt habe, dass ich – verzeihen Sie meine Sprache – zu alt für den Scheiß bin. Und jetzt ist es endlich so weit. Ich kann mir nur mehr beschränkt Dinge anhören, die nichts mit meiner Erlebniswelt zu tun haben. Und diese Erlebniswelt spielt sich viel mehr als früher im Innen ab.

Wenn mir jemand etwas erzählt, das mich berührt, kann ich darüber Stunden nachdenken. Was ich sehr gerne tue, weil ich dann eine Haltung dazu finden darf. Stapeln sich dann aber solche Erlebnisse, fühle ich mich sehr schnell überwältigt. Mein Bauch bläht sich dann auf, als Symbol dafür, dass ich zu viel aufgenommen habe, um es der Reihe nach verdauen zu können. Und wenn ich dann keine Möglichkeit zum Alleinsein finde, werde ich ziemlich unrund. Ja, es ist soweit, ich vermeidet tatsächlich die Orte, wo der blaue Rauch aufsteigt.

Meinen beiden Freundinnen geht es ähnlich. Sie kümmern sich um das, was vor ihren Füßen passiert, weil das im Grunde reicht. Mir ja auch. Nur manchmal denke ich mir, dass ich neuen Input brauche und proaktiv auf die Suche gehe. Nach solchen Expeditionen weiß ich allerdings meistens, dass es leicht auch ohne gegangen wäre. Doch ganz darauf verzichten möchte ich nicht, wie auch meine beiden Freundinnen sich immer noch aus der Komfortzone hinaus wagen. So alt sind wir dann doch nicht!

Die gesprochene Version dieses Textes finden Sie auf www.voll50.com/category/podcast

Diese Seite verwendet Cookies, um die Nutzerfreundlichkeit zu verbessern. Mit der weiteren Verwendung stimmst du dem zu.

Datenschutzerklärung