FREITAG: Alle guten Dinge sind drei

Ich finde es ja ganz großartig, auf welche Ideen Menschen kommen, wenn sie versuchen, das Beste aus einer Situation zu machen. Zimmerreisen zum Beispiel.

Mich wundert es nicht, dass es ausgerechnet ein Philosoph ist, der sich dazu entschlossen hat, sein Zuhause zu einem Reiseziel zu machen. Gut, inzwischen ist er wieder einigermaßen in der Nach-C-Realität angekommen, was bedeutet, dass die Reise zu Ende ist. Doch er meinte, dass die Zeit zwar nicht im Fluge vergangen sei, er aber durchaus noch eine Weile durchgehalten hätte. Insofern sollte ich mich vielleicht näher mit seiner Philosophie auseinandersetzen.

Meine Heimreise ist auch zu Ende gegangen. Und der Schlusspunkt war ein Riesending für mich. Denn im Wohnzimmer steht die Stereoanlage auf einem Gestell mit drei Ebenen, die bislang mit Wochenzeitungen voll belegt waren. Da und dort habe ich bereits über meinen absoluten Unwillen gesprochen, die Produkte des guten Journalismus einfach ungelesen in der Altpapiertonne zu versenken. Denn ich weiß aus eigener Erfahrung: Journalisten wollen aus Prinzip gelesen werden. Dass sie manchmal nicht allzu viel Mühe darauf verwenden, dass das der Leserschaft einigermaßen leichtfällt, steht auf einem anderen Blatt. Berichte werden zu Kommentaren, der Fokus auf das ewig Negative nervt auch furchtbar und dass in China ein Rad umfällt, interessiert mich maximal dann, wenn ein Schmetterling auf meiner Schulter sitzt.

Doch es gibt Ausnahmen von der Regel. Und diese sind es auch wert, gesammelt zu werden. So wie die Reportagen von Egon Erwin Kisch, der zwar als Kommunist verschrien, dafür aber ein umso besserer Journalist war und als einer der bedeutendsten Reporter in der Geschichte des Journalismus gilt. Oder eben viele Artikel in meinem Regal. Vermutlich. Denn gelesen habe ich die Elaborate der Kollegenschaft ja noch nicht, doch sammeln tue ich sie seit 2014! Verstehen kann das vermutlich keiner, außer vielleicht eine Freundin von mir, die diese Wochenzeitung ebenfalls abonniert hat und auch ständig am Umschichten der durchwegs als fett zu bezeichnenden Ausgaben ist.

Am Wochenende kam wieder das Gespräch darauf, und da begann etwas in mir zu bröckeln. Ich hatte ja während der C-Zeit im Zuge meiner Entrümpelungsaktivitäten immer wieder einmal an Abschied gedacht, doch wenn ich mir dann in Erinnerung rief, welche Titelgeschichten mich neugierig machten, winkte ich innerlich ein ums andere Mal ab. Doch heute fand ich die Lösung. Es muss ja nicht stets nur eine Alles-oder-Nichts-Mentalität zelebriert werden; dazwischen gibt es doch auch noch etwas. Wäre ich ein Schwarz-Weiß-Typ, läge die Lösung in einer der 256 Graustufen, und dieses Bild würde durchaus schlüssig sein in diesem Kontext.

Wie so oft, wenn ich mich verabschiede, läuft es auf einen Prozess hinaus. Ich bin nicht der Typ des eiskalten Schnitts, weil ich weiß, dass das bei mir nur eine Kotzattacke des Egos wäre. Deshalb rationalisiere ich den Abschied gemäß meinem jeweiligen Entwicklungsstand und gehe einen Schritt nach dem anderen. Was jetzt die Wochenzeitungen angeht, war der Beginn des Weges der Gedanke, dass ich ja gar nicht weiß, was ich versäume. Ist wie mit Bungee-Jumping. Wenn man es nie probiert hat, fehlt es einem auch nicht. Ich glaube, der alte Spruch „Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß“ trifft es auch ganz gut. Der zweite Schritt war die Erkenntnis, dass die Erfahrung seit 2014 gezeigt hat: Mir fehlt die Zeit für die wöchentliche Ausgabe – wo soll ich also die Muse hernehmen, mich sechs Jahre zurückzubeamen, wo ich doch gar nicht sicher bin, ob ich dort unbedingt wieder hin muss? Und die dritte Stufe erklomm ich, als ich mir bewusst machte, dass ich ja nicht gleich alle Exemplare dem Altpapiercontainer zuführen muss. Und obwohl ich den Bestand schon einmal aussortiert hatte, unternahm ich einen weiteren Anlauf und siehe da – ein Fach aus dem Regal ist nun leer. Im Loslassen bin ich von der langsamen Truppe, aber wenn der Wagen rollt, dann gibt es kein Halten mehr. Und nachdem ich mich bis zum Ende des Jahres in keinerlei Fernreisepläne versteige, werde ich wohl auch eine Art Zimmerreise machen und durch die Zeitungssammlung surfen. Auf die Frequenz möchte ich mich nicht festlegen, denn vorgenommen habe ich mir schon viel, wenn es um das Lesen dieser Konvolute geht. Aber wer weiß? Irgendwann sind die sieben Bücher, die ich aktuell parallel lese, zugeklappt und dann, ja dann …


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