Acht Wochen hat dieses Jahr schon wieder auf dem Buckel, und früher als erwartet wärmt uns die Sonne auf. Jetzt fehlt nur noch das Meer. Oder entsprechende Reisefreiheit. Dabei reicht mir schon eine Fahrt nach Tirol.
Kürzlich saß ich mit einer Freundin beisammen und wir stellten fest: Reisegedanken zahlen sich momentan echt nicht aus. Selbst wenn ich für einen Tag an einen durchschnittlichen Adriastrand wollen würde, müsste ich dort 14 Tage bleiben, ob ich will oder nicht. Und nein, in meinem aktuellen Zustand will ich nicht. Obwohl ich mir sehr wohl bewusst bin, dass Bibione heuer sehr viel wahrscheinlicher werden könnte als Boulders Beach. Doch soweit bin ich noch lange nicht, vor allem nicht dort, wo sich meine Kusine hingewagt hat: zu Reisebuchungen mit doppeltem Fallschirm – also reiserücktrittsmäßig.
Ich kämpfe mich an Tirol ab. Obwohl ich mich inzwischen schon sehr daran gewöhnt habe, meine Eltern durch die Videokamera zu sehen und auf diesem Weg ihre Stimmung zu erhellen – einen Geburtstagsbesuch ersetzt das natürlich in keinster Weise. Dass sie in einem so genannten Virusvarianten-Gebiet wohnen, ist Pech, das ihnen über den Kopf geschüttet wurde, ohne dass sie es verdienen. Sie halten sich überpenibel an sämtliche Vorschriften, fast wie die Salzburger Festspiele, die mehr von ihren Besuchern gefordert haben, als es das Gesetz wollte. Sie sind gesund und tun auch vieles dafür, diesen Zustand aufrecht zu erhalten. Rutscht die Stimmung doch einmal in den Keller, bin ich nur einen Fingertipp auf das Kamerasymbol eines Nachrichtenanbieters entfernt. Etwas Albernes fällt mir immer ein. Nichtsdestotrotz: Es wird eine Challenge, dieser Geburtstagsbesuch.
Meine Mutter befürchtet Scherereien für mich, weil sie darüber in der Zeitung liest. Und meinen Kollegen von der Journaille sind Scherereien natürlich lieber als flutschende Grenzbegegnungen. Eine Diskussion gibt allemal mehr her als ein freundlicher Kurzdialog und Durchwinken. Wie auch immer: Ich glaube zu wissen, woran es liegt. Keiner liest die Verordnungen oder kann sie nicht sinngemäß erfassen. Was jetzt kein Superwunder ist, wenn man bedenkt, wie sie geschrieben sind. Man nimmt sich das raus, was man versteht und lässt das in sich nachwirken. Hat man Fragen, wendet man sich gegebenenfalls an eine Auskunftsperson, die ihrerseits durch die Frage so verwirrt wird, dass sie aus Zeitnot (weil ja viele fragen) einfach die nächstbeste, einfachste Antwort gibt. Nimmt sich jemand mehr Zeit, gibt er vielleicht eine andere Antwort. Und wenn sich das dann rumspricht, ist das Verständnisschlamassel erst recht groß.
Und von diesem Verständnisschlamassel kann ich mich selbst nicht ausnehmen, wie gerade erfahren musste. Noch bevor ich mich beim Schreiben dieser Zeilen vollständig in Rage katapultieren konnte, erfahre ich von einem Freund, dass ich selbst ungenau gelesen habe. Die Krux lag bei einem Verständnisfehler, der „innerhalb von zehn Tagen“ als „zehn Tage“ interpretiert hat. Ich bin ja normalerweise keine Korinthenkackerin, doch wenn es um Worte geht, schaue ich meist schon sehr genau. Und jetzt ist es also auch mir passiert – Pech. Ich bin aber nur ein klitzekleiner Pechvogel, und damit kann ich umgehen. Aus Gewohnheit.
Schließlich haben wir alle immer wieder mal Pech. Sprich eine nicht ganz so optimale Ausgangsposition oder schicksalshafte Wendungen, die unserer Intention zuwiderlaufen. Doch glücklicherweise habe ich gelernt, dass alles eine Frage der beweglichen Halswirbelsäule ist. Solange ich den Hals drehen und in eine Richtung blicken kann, die erfreulich ist, kann aus dem vermeintlichen Pech eine kleine Goldmünze werden. Und die werde ich einsammeln, wenn ich über die innerösterreichischen Landstraßen tuckere, in Gegenden komme, die ich aus Zeitgründen in der Vergangenheit gemieden habe und ganz viel Musik hören. Mein Halschakra wird durch das viele Mitsingen jubeln, wenn ich zuhause angekommen sein werde. Später als beabsichtigt, aber um Reiseerfahrungen reicher. Mehr ist momentan nicht drin.
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