„Du bist eine tolle Taube“, sagte mein Vater kürzlich. Mit einem Wanderfalken hat er mich ja auch schon verglichen. Und das alles, obwohl ich momentan gar nicht fliegen mag.
Ich habe wenig Anknüpfungspunkte mit dem Federvieh. Und abgesehen davon, dass ich den Frühling willkommen heiße, wenn ich zum ersten Mal nach dem Winter am Morgen vom Gezwitscher geweckt werde, achte ich auch kaum darauf. Mein Ex hat es ja sehr mit den Tauben, die ihm vielfach den Weg weisen, weil er ihnen eine positive Bedeutung gibt. Die Katze findet Vögel auch ziemlich attraktiv, und wenn sie mir ihre Jagdbeute vor die Türe legt, muss ich sie immer ausgiebig loben. Ist nicht schön, aber angemessen und nötig für das Katzen-Ich. Als mein Vater das mit der Taube durch die Videokamera schickt, fällt mir ein, dass wir vor fast 20 Jahren in einem Vogelpark in Indien waren – extra wegen ihm. Wir fuhren mit dem Fahrrad durch die riesige Anlage und er hatte seinen Kopf meistens in den Baumkronen, weil sie zwar zu hören, aber nur spärlich zu sehen waren. Ich hatte ja damit zu tun, dem Weg nachzukommen, denn von asphaltierten Straßen ist man in einem indischen Vogelpark meilenweit entfernt. Und die Sinnhaftigkeit eines Fahrrades hatte sich mir schon damals nicht erschlossen. Aber das ist eine andere Geschichte.
Dass ich eine Taube sein soll, erklärt beispielsweise, warum mein Ex mich als seine beste Freundin bezeichnet. Allerdings: Wenn es um den richtigen Weg geht, vertraut er seinen gefiederten Gefährten mehr als mir. Betrachte ich mich selbst in diesem Kontext, bin ich am ehesten eine Brieftaube. Im übertragenen Sinne bringe ich meine Geschichten in die Welt und von dort auch wieder neue in meinen Heimatschlag zurück. Das Ergebnis lesen Sie ja Woche für Woche hier, und auch in meinen Büchern. Apropos: Das dritte ist endlich in meinen Händen und auch schon bei interessierten LeserInnen. Und wie eine richtige Brieftaube lasse ich damit auch meine Geschichten, im weitesten Sinne auch meine Vergangenheit los.
Das trägt bestimmt dazu bei, dass ich Woche für Woche so transparent sein kann. Vor einigen Tagen habe ich das zugetragen bekommen, was mich nachdenklich gemacht hat. Nicht, dass ich transparent bin – niemand, der einen persönlichen Blog schreibt, kann bis zu einem gewissen Grad darauf verzichten. Doch nachgedacht habe ich darüber, dass ich als transparent empfunden werde. Und ob es noch etwas gibt, was nur mir gehört und noch nicht Eingang in den Brief für die Taube gefunden hat. Mit einem Seufzer der Erleichterung stellt ich fest: Ja! Es ist nämlich so: Wie eine Brieftaube habe ich eine gewisse Strecke zu überwinden. Auf diesem Weg trage ich mehr oder weniger schwer an dem, was ich erlebt habe. Doch wenn ich dann am Ziel angekommen bin, habe ich die Geschichte so verstoffwechselt, dass ich sie loslassen und im Idealfall darüber schmunzeln kann. Und dann ist Transparenz eine Selbstverständlichkeit.
Transparenz verleiht Leichtigkeit, weil die Schwere verdampft ist oder sich verpulverisiert hat. Und gibt es etwas Leichteres als Vögel? Außer einem fliegenden Plastiksackerl oder Hautschuppen fällt mir jetzt nichts ein. Und nachdem der Kunststoff bei mir höchstens in den Müll fliegt und das Fallen der Hautschuppen durch exzessiven Gebrauch von Arganöl weitgehend unterbunden wird, habe ich die besten Voraussetzungen zum Fliegen. Und auch wenn ich mich momentan (noch) dagegen sperre, ein Flugzeug zu besteigen, hindert mich abseits davon wenig daran, die Leichtigkeit zu kultivieren. Die Devise: Loslassen, was unmöglich ist und auf das fliegen, was sich anbietet. Simple as that.
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