Der Sommer nimmt Fahrt auf, zumindest wettermäßig. Und das sind grundsätzlich gute Nachrichten. Wenn es dabei nicht meinem Nussbaum an den Kragen ginge…
Als ich heute Morgen die Rollläden hinaufkurbelte, fiel mir ein Mann auf, der jenseits meiner Grundstücksmauern meinen Nussbaum zurechtstutzte. Ohne mein Wissen und damit natürlich ohne meine Erlaubnis. Nein, ich kannte den Mann nicht – insofern ist auch ein Racheakt oder eine passiv-aggressive Handlung auszuschließen. Da er sich auf einer Hebebühne befand, nahm ich an, dass er wohl von offizieller Seite kommen musste. Ich setzte meine Nerdbrille auf (irgendwie musste ich ja mein mangelhaft repräsentatives Morgenmantel-Outfit wettmachen!) und stapfte in den Garten. Jetzt muss man vielleicht wissen, dass ich an einem ganz normalen Morgen erst zwei Stunden nach dem Aufstehen wirklich Kontakt zur Außenwelt aufnehme, weil ich mich zuerst um mich selbst kümmern und meinen Aufstehgrant eigenverantwortlich in den Griff bekommen möchte. Heute musste ich einige Stufen überspringen. Unter größtmöglicher Grant-Zurückhaltung sprach ich den Baumkastrierer an, der mich informierte, dass mein Nussbaum das öffentliche Busnetz zu behindern droht und er ihn deshalb kappen müsse.
Bei aller Fürsorge: Ich wäre gerne informiert gewesen. Schließlich handelt es sich um den Baum, dessentwegen ich an diesem Ort lebe. Meine Großmutter hatte seinerzeit bestimmt, dass dieses Grundstück schon allein deshalb erstanden werden müsse, weil dieser Baum eben hier steht. Kriegsgeneration eben, die am Ende doch immer wieder aufs Hamstern aus war. Im Zuge des Hausbaus erfuhr ich dann, dass dieser Baum stadtteilbildend ist und nur in Ansätzen getrimmt werden darf – das Umschlagen war also keine Option. Und jetzt kommt der Busbetreiber und haut mir da einfach so ein Loch hinein. Bei der Service-Hotline bekomme ich nur die Auskunft, dass ich einen Rückruf erhalten werden. „Klar, gaaaaaaaaanz bestimmt“, denke ich mir augenrollend.
Was ich daraus lerne: Das Ego ist früher wach als der Rest von mir. Und unter diesen Umständen auch hartnäckiger als sonst. Rausschreiben hilft wenig, im Gegenteil. Da brezelt sich das Ego erst recht auf. Meditieren hilft da schon eher. Weil man dadurch eher lernt, Dinge so zu nehmen, wie sie in dem Moment einfach sind. Und am Ende einer solchen Meditation komme ich nicht selten darauf, dass alles auch eine gute Seite hat. Denn der Busbetreiber hätte genauso gut sagen können, dass ich mich selbst darum zu kümmern habe, dass die Botanik nicht mit dem Bus kollidiert. Und das wiederum hätte für mich Organisation bedeutet, auch Geldeinsatz. Insofern alles zu meinen Gunsten abgelaufen. „Gefragt werden möchte ich aber trotzdem“, rülpst mein Ego, bevor es sich niederlegt und auf den Anruf wartet.
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