Interessanter Morgen, der mir in dieser Woche begegnet ist. Und er hat mir gezeigt, dass sich nicht alles um Dystopien drehen muss, also darum, was man als wenig wünschenswert betrachtet.
Natürlich geht es in der aktuellen Nachrichtenlage nicht nur darum, an den Rosen zu schnuppern. Doch glücklicherweise hat uns die Technologie befähigt, uns genau das auszusuchen, was wir wollen – oder eben nicht wollen. Und mich mit einer wenig wünschenswerten Zukunft zu beschäftigen, gehört da absolut dazu. In Zeiten wie diesen muss ich mich auch ohne Nachrichten-Input daran erinnern, dass wir die Zukunft nur mit dem Wissen aus der Vergangenheit einschätzen können, und da ist automatisch immer ein Unsicherheitsfaktor dabei. Schließlich ist die Zukunft vor allem eines: mitnichten absehbar.
Umso wohltuender empfinde ich es, wenn das Programm in meinem bevorzugten Radiosender das berüchtigte Sommerloch – das ich persönlich nie erlebt habe – mit einer Reportage über einen Friseursalon in Israel füllt. Ich lausche dieser Serie schon seit geraumer Zeit, weil ich selbst mit Spannung immer meinen Haarkünstler besuche und dabei beobachten kann, womit er jenseits von Waschen und Schneiden befasst ist. Nämlich mit den Problemen und Anliegen seiner Kundschaft. Die Kundschaft dieses israelischen Haarsalons hat Läuse. Und ja, offenbar ist das dort durchaus verbreitet. Ich hatte ja das Glück, dieses Problem bisher aus meinem Leben fernhalten zu können, und ich habe auch nie darüber nachgedacht, dass man von Ungeziefer auch als erwachsener Mensch befallen werden kann. Die Betreiberin dieses Salons ist gelernte Graphikdesignerin, die diese Marktlücke entdeckt und für sich genutzt hat.
Jetzt kann ich mir angenehmere Berufszweige vorstellen, für die man sich als Zweit- und Drittkarriere entscheiden könnte. Doch die Hauptsache ist stets, dass man Freude und Erfüllung dabei empfindet, womit man einen Großteil seiner Tage verbringt. Und ich kann mir vorstellen, dass es sehr erfüllend ist, wenn man der Kundschaft irgendwann einmal mit diesem Nissenkamm durch die Haare fährt und verkünden kann, dass der Mikrokosmos rund um das Kronenchakra wieder rein menschlich ist. Ich persönlich gehe ja mit dieser Haltung auch zu Ärzten, speziell zum Zahnarzt. Denn besonders hier hat man immer die Wahl. Entweder fürchtet man sich vor dem Bohren, Schaben, Spritzen oder man konzentriert sich darauf, dass es einem danach idealerweise besser geht. Weil der Zahn nicht mehr schmerzt, weil der Zahnstein weg ist, weil der Eiterherd trockengelegt wurde. Das sind auch gute Nachrichten, und noch dazu vor der eigenen Haustüre.
Um meine eigene Haustüre werde ich mich auch in den kommenden zwei Wochen kümmern. Und das bedeutet, dass ich eine Arbeitspause machen werde. Ob es Urlaub wird, kann ich erst danach sagen. Ich habe natürlich eine Vorstellung von den nächsten 14 Tagen, wie sie sein sollten, aber auch, wie sie sein könnten. Und das allein ist der beste Beweis, dass ich eine Auszeit dringend nötig habe. Denn wenn ich mich selbst nicht mehr davon abhalten kann, Dystopien zu entwickeln, ist es höchste Zeit, abzutauchen. Haben Sie eine gute Zeit, tauchen Sie weiter ein in den Sommer und bleiben Sie im Moment. Ich melde mich, wenn ich den Abstecher in die andere Welt bis zur Neige ausgekostet habe.
Die gesprochene Version dieses Textes finden Sie auf www.voll50.com/category/podcast
Den nächsten Blogbeitrag gibt es wieder am 26. August 2022.
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