Nicht nur ich, sondern auch das eingeschränkte gesellschaftliche Leben sind zurück. Beinahe scheint sich die Welt zu überschlagen, doch nicht aus Freude.
Eines weiß ich nach dieser Woche mit Gewissheit: Urlaub zuhause ist meinem sonstigen Empfinden von Auszeit nahezu diametral entgegen gesetzt. Die heimischen Seen – so beschaulich sie auch sein mögen – haben der Urgewalt des Meeres wenig entgegen zu setzen. Die hiesigen Temperaturen waren zwar angenehm, aber auch nicht immer. Was in mir den Entschluss reifen hat lassen, mich in den kommenden Wochen, ja möglicherweise sogar Monaten unter die Fittiche eines Sonnenengels zu begeben. Ja, so etwas gibt es, und ja, mit der Bewusstheit wächst auch die Lösungsorientierung. Das heißt: falls der Sonnenengel Audienz halten darf.
Aber eben nicht nur ich bin wieder da, sondern auch die C-Scheisserchen samt Einschränkungen. Meine Kusine wird das freuen, denn sie geht ohnehin immer um 20 Uhr ins Bett. Da versäumt sie jetzt gar nichts mehr. Der Lieferservice darf sich ja weiterhin abstrampeln. Und ich schaffe es vielleicht auch, vor Mitternacht ins Bett zu kommen. Denn wenn im Außen kaum Eindrücke gesammelt werden können, müssen sie im Innen ja auch nicht stundenlang verstoffwechselt werden. Mit meinen Freundinnen treffe ich mich jetzt eben untertags, ich schreibe abends ohnehin besser.
Aus dem heutigen Blickwinkel ist aber auch der ganz alltägliche Wahnsinn wieder da, stärker denn je. Eigentlich sollte dieser Beitrag ja davon handeln, dass ich während der Auszeit-Tage drauf gekommen bin, dass ich in den mir wichtigen Situationen des Lebens Stabilität brauche. Und ich wette, nach den vergangenen Tagen bin ich nicht die Einzige, die sich das wünscht. Ich frage mich langsam wirklich, was uns die Ereignisse dieser Tage sagen wollen. Was das C-Scheisserchen meiner Meinung nach bedeutet, habe ich ja immer wieder vermerkt. Leider scheine ich eine der wenigen zu sein, die daraus Obsorge für das körperliche Wohl, Achtsamkeit und Innenschau ableitet. Sonst würde ich ja nicht nach einem Mund-Nasen-Schutz suchen (müssen), der durchsichtig ist, sondern könnte mir das sparen.
Doch die Anschläge der vergangenen Tage in Europa sind ein ganz anderes Thema. Was unsere Welt in meinen Augen braucht, ist Einigkeit: für die Natur, für die Kooperation, für die Nachhaltigkeit allgemein. Doch was passiert? Trennung auf allen Ebenen. Menschen unterschiedlicher Hautfarbe und Herkunft fühlen sich zunehmend separiert. Voneinander, von der Umwelt, von Chancen. Daraus entsteht Mangel, den es vielfach gibt, aber der bei weitem nicht so häufig anzutreffen ist, wie uns manch einer glauben machen möchte. Uns hier in der westlichen Welt der nördlichen Hemisphäre geht es immer noch besser als weiten Teilen des Rests. Warum fällt uns Teilen dann so schwer, vor allem mit jenen, die aus eben diesem Rest kommen? Warum müssen wir erst angegriffen werden, damit wir zu ahnen beginnen, dass wir schon viel früher die Gegenwart dieser Menschen als Angriff empfunden haben?
Angriff ist vielfach die dunkle Seite von Neugierde. Wenn wir aufhören, uns für Neues, Anderes zu interessieren, führt der Weg über die Gleichgültigkeit sehr schnell in die Defensive. Nennen Sie mich naiv, doch ich glaube, dass alles Negative in dieser Welt aus einem Gefühl des Mangels heraus entsteht. Und der muss noch nicht einmal selbst empfunden sein, sondern kann auch von außen kommen. Womit ich wieder beim Medienkonsum lande. Egal ob es die Pandemie, die Anschläge oder die US-Wahl ist – wir werden überschwemmt mit zweifellos wichtigen Themen, jedoch ohne Achtsamkeit auf unser aller Psyche. Nicht dass die Medien hierzu einen expliziten Auftrag hätten; Bewusstsein dafür, was sie mit ihrer Berichterstattung anrichten (können), erwarte ich mir schon. Studien gibt es inzwischen genug dazu, wie sich negative Schlagzeilen auswirken können – warum nicht einmal gute produzieren? Meine Kollegen könnten nun einwerfen, dass ich ja wissen müsste, dass sich nur Schlechtes gut verkauft. Natürlich, doch das stimmt mich noch nachdenklicher. Sind wir Menschen tatsächlich schon so konditioniert, dass wir unseren ständigen FFF-Impuls bedienen wollen? Fight, Flight oder Freeze ist doch nur eine Reaktion für den absoluten Notfall! Und seien wir ehrlich: Wie oft befinden wir uns in einem absoluten, persönlichen Notfall? Nur selten. Zum Beispiel dann, wenn man zur falschen Zeit am Wiener Schwedenplatz, in Minneapolis oder der Basilika Notre-Dame-de-l’Assomption in Nizza ist. Doch sonst?
Natürlich ist es leichter, die Intention eines Gegenübers am Gesichtsausdruck abzulesen – doch wie viele Menschen haben sich auch ohne MNS eine Maske zugelegt, die sie zu Markte tragen? Wir müssen eben auch die Körpersprache lesen lernen. Grund für FFF ist das nicht. Natürlich ist es leichter, Verbundenheit mit anderen Menschen zu spüren, wenn man sie bei einem Glas Bier oder einem Spritzer trifft. Doch geht es einem tatsächlich um die Verbundenheit, wird man kreative Wege finden, sie trotzdem herzustellen. Und natürlich ist es leichter, den Mangel zu artikulieren als sich auf das Gute zu besinnen, das man in seinem Leben hat. Oder es zumindest zu entdecken. Anlass für FFF ist unsere gegenwärtige Situation mitnichten. Vielmehr ein Aufruf, unsere besten Kräfte zu mobilisieren, um Einigkeit herzustellen, die getragen ist von Toleranz, Mitgefühl und Intelligenz.
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