Aktuell bin ich ja wieder im Hundeland und verbringe meine Tage großteils mit Maltesermischlingsdamen, während meine Katze sich an einen neuen Umgang gewöhnen darf.
Haustiere und ich – das war lange Zeit eine ziemlich unerfreuliche Kombination. Dass meine erste tierische Zeitgenossin eine Schildkröte war, die nicht viel Bespaßung brauchte, dafür aber ausreichend gefüttert werden wollte, zeigt: Wegen eventuell aufkommender Langeweile wollte ich nie ein Haustier. Schon das Füttern habe ich schlecht hingekommen, an der Fürsorge für die Schildkröte hat es so weit gemangelt, dass sie eines Winters im Garten erfroren ist. Hätten mir meine Eltern also mit einem Haustier Fürsorge beibringen wollen, wäre das vermutlich ein gescheiterter Versuch geworden. Doch ich glaube nicht, dass sie diesen Trick anwenden mussten – sie haben mir die Hilfsbereitschaft und Lösungsorientierung Tag für Tag vorgelebt. Da brauchte es keine speziellen Interventionen.
Dass Tiere trotzdem irgendeinen Schlüssel für mich haben müssen, begriff ich ab dem Zeitpunkt, wo sie insistierten, Teil meines Lebens zu sein. Ja, manche mögen begreifen, wenn sie ungewollt sind, doch die Tiere, die sich in meiner Nähe niedergelassen haben, waren hartnäckig. Die Goldfische blieben, die Kröten vermehrten sich wie auch die Schnecken, von denen ich mich allerdings weigere, sie als Haustiere zu bezeichnen. Oder sollte ich das, um mehr Empathie für sie zu empfinden? Darüber muss ich noch nachdenken.
Südlich des Äquators ist mir glücklicherweise noch keine Schnecke untergekommen, weshalb ich diesen Gedanken stunden kann. Doch das Nachdenken darüber, was mir Tiere sagen wollen, ist hier präsenter als Zuhause. Der Grund: Ich habe Hunde nie wirklich verstanden. Jetzt mag es dem einen oder der anderen vermessen erscheinen, Tiere überhaupt verstehen zu wollen. Doch die Lockdown-Zeit hat bewiesen, dass ich meine Katze schon zu einem gewissen Grad verstehe. Zum Beispiel wenn sie ihren Schwanz kerzengrad in die Höhe reckt. Dann will sie, dass ich mitkomme – wohin auch immer. Meist an einen warmen Platz im Freien, wo sie auf Knopfdruck ihre Körperspannung aufgeben kann und mir ihren Bauch zum Streicheln präsentiert. Darum beneide ich sie, weil mir Entspannung auf diese schnelle Art und Weise manchmal auch gut täte. Ich habe gelesen, dass Katzen meist nur zwei Minuten daran interessiert sind, ungeteilte Aufmerksamkeit zu bekommen. Meine schafft es locker auf das Dreifache, aber dann ist Schluss. Dann sucht sie sich einen Platz, wo sie sich von den Streicheleinheiten erholen kann – selbstverständlich mit gesenktem Schwanz, denn dorthin darf ich ihr nicht folgen. Gerade hat sie neue, temporäre Gesellschafter bekommen, und ich bin gespannt, wie sie diesselben für sich abrichtet.
Das Wissen um eine unabhängige, selbstbewusste tierische Mitbewohnerin macht es auch mir leicht, sie von Zeit zu Zeit ihrem Schicksal zu überlassen. Wegzugehen mit der Sicherheit, dass sie an dem Ort bleiben kann, den sie gewohnt ist und trotzdem gefüttert zu werden. Süß wie sie ist, bekommt sie ohnehin Streicheleinheiten en masse, wenn sie um die Häuser zieht. Doch sie weiß: Gefressen wird zuhause. Darauf kann sie sich verlassen. Und dort hat sie auch ihren Platz, wenn zu Silvester die Raketen krachen oder ein Unwetter über dem Landstrich niedergeht.
Das Leben mit den beiden Maltesermischlingsmädchen ist anders. Gibt es ein schussähnliches Geräusch, beispielsweise wenn eine Tonne umfällt, suchen sie meine Nähe. Wenn Wolken brechen und sintflutartige Regenfälle auf das Vordach prasseln, hüpfen sie auf meinen Schoß, fast als könnte ich das Wetter ungeschehen machen und ihnen die Angst nehmen. Wenn ich meine blaue Yoga-Matte ausrolle, sind sie die ersten, die draufliegen, noch bevor ich meine Beine falten konnte. Und will ich meinen Körper von den Resten des Stoffwechsels befreien, weiß ich genau, wer von den beiden zu meinen Füßen darauf wartet, bis ich die Spülung betätigen und wieder in den Garten komme. Die beiden Mädchen sind wirkliche Unterhalterinnen, Gefährtinnen, Kuschelobjekte. Und nahezu immer verfügbar, wenn man gerade nicht weiß, was man mit seinen Händen anfangen soll.
Ich muss noch einiges über Hunde lernen, und bestimmt komme ich dann auch dahinter, welche noch versteckten Zeichen sie mir geben, die ich jetzt noch nicht entschlüsselt habe. Aber vielleicht sind sie ja auch gar nicht so kryptisch wie eine Katze? Vielleicht sind sie einfach, wie sie sind. Dieses Phänomen gibt es schließlich auch bei Menschen. Die einen entschließen für sich, wann sie Kontakt zur Außenwelt haben wollen, die anderen sind treue Freunde und Freundinnen, die stets verfügbar und ansprechbar sind. Jeder Mensch braucht beide Sorten in seinem und ihrem Leben. Weil sie Spiegelbilder der eigenen Qualitäten sind. Weil wir alle die Gewissheit brauchen, dass es Menschen gibt, auf die man sich verlassen kann und andere, die uns vor Augen führen, dass man sich zuerst einmal auf sich selbst verlassen muss. Mir scheint: Spät aber doch begreife ich die Lektionen, die Haustiere für mich haben.
Die gesprochene Version dieses Textes finden Sie auf www.voll50.com/category/podcast
Schreibe einen Kommentar