FREITAG: Weihnachtliche To-Do-Liste

Es kommt ja doch immer anders als man denkt. Und vorbereiten kann man sich erst recht nicht darauf. Also bleibt nur die Gelassenheit. Nichts Neues, aber immer wieder neu ins Bewusstsein zu rufen.

Die Faktenlage ist eindeutig. In wenigen Tagen ist Weihnachten. Mein Vater muss sich vorher noch einer Operation unterziehen. Die Arbeit stapelt sich ob meiner künftigen Urlaubsabwesenheit auf dem Schreibtisch und will zumindest vorbereitet werden, damit ich ab Mitte Januar gleich loslegen kann. Geschenke und Karten sind weder eingepackt noch geschrieben. Und auch von anderswo werden Hindernisse und Erschwernisse an mich herangetragen. Draußen tobt der Frühling und bringt meinen Biorhythmus derart durcheinander, dass ich aus dem Schwitzen gar nicht mehr herauskomme. Mein Reisekoffer ist gähnend leer. Und der Terminkalender ist voll.
In Zeiten wie diesen bin ich grundsätzlich einmal dankbar dafür, dass für Fahrt aufnehmende Gedankenspiralen keine einzige Sekunde bleibt. Eine Freundin von mir sagt mir jeden Tag, wie wichtig es ist, volle Tage zu haben, um gar nicht erst auf die Idee zu kommen, nachzudenken. Mission accomplished! Und so kann sich mein Kopf auf das konzentrieren, was vor meinen Füßen passiert. Kürzlich las ich sogar ein diesbezügliches Mantra, das da lautete: „Wisse, wo Deine Füße sind.“ Bringt einen ins Jetzt, schneller als man blinzeln kann.
Doch während ich auf meine Füße starre, stapeln sich in meinem Kopf all jene Dinge, die es noch zu organisieren und zu verstoffwechseln gilt. Also erinnere ich mich an eine andere Freundin, mit der ich immer wieder das Pro und Contra von Listen diskutiere. Greife zum Stift, ziehe unter einem Stapel ungelesener Zeitungen einen Zettel heraus und beginne mit dem Löschen meiner Gedächtnispunkte. „Mein Kopf ist kein Speichergerät, sondern eine Denkfabrik“, kommt mir in den Sinne. Diesen Spruch habe ich in meinem Dankbarkeitstagebuch gelesen und gleich an meinen Vater weiter geleitet, der immer wieder über seine Vergesslichkeit klagt. Damit ich nicht ins Klagen komme, vor allem nicht im Süden Afrikas, muss die Liste her. Und siehe da: Nachdem alles aus dem Kopf draußen und sortiert ist, geht es besser. Ist ja alles nicht ganz so schlimm, wie es sich angefühlt hat.
Diese Art von Gelassenheit versuche ich auch, wenn ich an meinen klinisch verstauten Vater denke. Eine OP vor Weihnachten könnte man jetzt vor Weihnachten terminlich eher als suboptimal bezeichnen, angesichts meiner Abreise ganz besonders. Ich könnte mir Gedanken über eine Reiseabbruchsversicherung machen, meinen Lebensmittelpunkt in seine Nähe verlegen, ihn mit von Besorgnis verzerrtem Gesicht anschauen. Würde ihm das helfen an einem Ort, an dem alles Erdenkliche für ihn und seine Gesundheit getan wird? Eher nicht. Im Gegenteil, mein griesgrämiges Gesicht würde vermutlich eine Krankenhausdepression hervorrufen, die für seinen Heilungsverlauf wenig hilfreich wäre. Auch wenn ich mich an seinem Pragmatismus manchmal ziemlich abarbeite, bin ich doch froh, dass er mir ein bisschen davon vererbt hat. Deshalb denke ich mir: „Wenn es ihm nichts ausmacht, stellt es auch für mich kein Problem dar.“ Und Mediziner unter sich sind ja sowieso eine Skurrilität. Also ist er quasi unter Freunden, und das ist gut so.
Wenn alles wie geplant läuft und die medizinischen Installateure ihre Gefäßbürsten erfolgreich wieder einpacken, werden wir Weihnachten wie gewohnt feiern. Er vielleicht eher auf der Couch, mit meiner Katze auf dem Bauch (falls sie ihre Funktion als Heilerin einsieht), der Rest der Familie ihn bespaßend oder betütelnd. Und die Prioritäten werden glasklar sein: wir sind zusammen. Nichts anderes zählt in diesem Moment.
Mögen Sie jede Menge solcher Momente zum Weihnachtsfest genießen können – sie nähren unsere Zukunft. Apropos: Den nächsten Blogbeitrag gibt es wieder am 24. Januar. Landen Sie sanft im neuen Jahrzehnt!


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